Geistlicher Impuls zum Freitag in der Fünften Fastenwoche

Er konzentrierte sich ganz darauf, die Hand des Vaters festzuhalten ...

Das Evangelium und andere Texte für den heutigen Tag finden Sie in der Online-Kalender-Version des Schott-Messbuches der Erzabtei in Beuron.

 

IMPULS

 

In einem schwedischen Krimi von Henning Mankell findet sich eine rührende Szene. Der sympathische Kommissar Stefan erhält eine vorläufige, niederschmetternde Krebsdiagnose.

Bis zur endgültigen Klärung versucht er weiter zu ermitteln, als sei nichts geschehen. Aber ein Traum hindert ihn daran. Darin sieht sich Stefan, wie er als Kind mit dem Fußballbegeisterten Vater ins Stadion des FC Malmö geht. Das Gedränge vor dem Stadion machte ihm Angst. Er konzentrierte sich ganz darauf, die Hand seines Vaters festzuhalten. Die ist für ihn wie der Unterschied zwischen Leben und Tod.

Wenn er die Hand des Vaters loslassen würde, wäre er inmitten der Menschen hoffnungslos verloren. Das Drehkreuz ist der kritische Punkt, danach ergreift er ganz schnell wieder die Hand.

Als er nach ein paar Schritten im Menschengewimmel zu seinem Vater hochschaut, sieht er ein fremdes Gesicht. Auch die Hand war fremd, als er nachgesehen hatte. Seine Panik war total gewesen. Er hatte geschrien. Alle drehten sich zu ihm um. Der fremde Mann zog seine Hand heftig an sich, als habe Stefan sie ihm stehlen wollen. Im nächsten Augenblick war sein Vater wieder neben ihm gewesen. Die Verbundenheit mit dessen Hand wandelte die Hölle des Alleingelassenseins augenblicklich in den Himmel des Gehaltensseins.

Wenn die Verlustangst auch nur Sekunden seines Lebens beherrscht hatte, sie führte Stefan 40 Jahre später zur dankbaren Erkenntnis, welchen Schatz er mit seiner Gesundheit doch gehabt hatte, - dabei hatte er sie bis dahin für total selbstverständlich gehalten. Und ihm ging auf, wie entscheidend es ist, dass Jemand unsere Existenz in seinen Händen hält. Daraus erwuchs ihm eine eigenartige, nahezu unbesiegbare Geborgenheit, die ihm half, mit aufsteigender Panik besser fertig zu werden.

Kennen Sie vergleichbare Situationen, in denen Ihnen aufgegangen ist, dass es tiefere Schichten und Dimensionen unserer Lebenswirklichkeit gibt, auch wenn wir sie im Alltag nicht bemerken? In denen sich erschließt, wie vieles wir im Leben nicht in den Griff bekommen und nicht selbst gestalten können? Dass ein „Zufall“ uns ein Geheimnis bewusst machen kann?

Solche Momente haben meinen Glauben geformt. In ihnen durfte ich das Geheimnis Gottes entdecken.

Theo Schneider SJ