Geistlicher Impuls zum Hochfest des Heiligen Joseph

Väterliche Keuschheit!

Das Evangelium und andere Texte für den heutigen Tag finden Sie in der Online-Kalender-Version des Schott-Messbuches der Erzabtei in Beuron.

 

IMPULS

 

Wenn ich an den heiligen Joseph denke, erscheint das Bild eines gütigen alten Mannes vor meinem inneren Auge. Das ist nicht unbedingt biblisch. In den Evangelien steht nichts über sein Alter.

Aber vielleicht verkörpert Joseph besonders gut eine Qualität, die Menschen oft erst im fortgeschrittenen Alter erreichen: Da ist von einem Mann die Rede, der sich nicht selbst in den Vordergrund schiebt, sondern im Hintergrund bleibt und dort treu und verlässlich das Notwendige tut.

Der heilige Joseph erinnert mich an so manchen Jesuitenbruder, den ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte. Im Unterschied zu uns „Patres“ nehmen die Brüder in unserem Orden selten Führungspositionen ein. Sie tun ihren Dienst im Verborgenen, so wie Joseph.

Nun kommt bei Joseph aber noch eine weitere Eigenschaft hinzu: seine Keuschheit. Manche werfen der kirchlichen Überlieferung vor, sie hätte den heiligen Joseph zu einem enthaltsamen Greis verklärt, um die Lehre von einer „allzeit jungfräulichen“ Mutter Jesu zu stützen.

Mag sein, dass man ihm da Unrecht getan hat. Es kommt aber beim Thema väterliche Keuschheit eine Dimension in den Blick, für die ich sehr dankbar bin, weil sie auch für öffentliche Verantwortungsträger wichtig ist: das „Vater-Sein“ des heiligen Joseph ist genauso wie das „Mutter-Sein“ Mariens ein Weg der Entäußerung, sprich ein geistlicher Weg des Sich-Loslassens.

Wer Verantwortung übernimmt, tut gut daran zu lernen, seine eigenen Bedürfnisse hintan zu stellen, damit andere gut groß werden können. Die berühmten Worte des öffentlichen Predigers und Täufers Johannes könnten auch von Maria und Joseph gesagt worden sein:

"Jener muss wachsen, ich aber abnehmen!" (Joh 3,30).

Ludger Joos SJ