10. Bericht von Anna-Lena Schick über ihr Freiwilligenjahr in den USA

Eindrücke vom Leben auf einer Farm und der City of Destiny

 

 

Liebe Unterstützer, Freunde, Verwandte und Bekannte,

je länger ich hier bin, desto mehr realisiere ich, dass die Entscheidung zu dem IJFD hier in Tacoma eine richtig gute war. Das Gemeinschaftsleben gefällt mir sehr, man ist nie alleine und immer ist was los, es ist wie eine riesige Familie, in der jeder so sein kann, wie er will. Ich möchte mich daher herzlich bei allen Unterstützern bedanken, die mir dieses Jahr ermöglicht haben. Danke, danke, danke!

Der Mai war irgendwie stressig, es gab immer noch viel zu tun, weil wir so wenige Assistants hatten. Oft habe ich den Abend mit Freunden der Community gestemmt, die aber den Rhythmus nicht genau kennen und auch nicht alle Core Members. So habe ich mich dafür verantwortlich gefühlt, dass alles gut klappt und auch die aushelfenden Gäste sich wohl fühlen – kochen, Medikamente überprüfen, Core Members ins Bett bringen, Papierkrams erledigen, für Kendyl übersetzen (mit der Zeichensprache), und und und. Auch war der Mai ein Monat, in dem ich die anderen Assistants von Farmhouse nur wenig gesehen habe, da sie häufig in anderen Häusern eingeteilt waren. Aber das geht ja nicht ewig so weiter und ältere Assistants berichten, dass sie schon viel schlimmere Zeiten überlebt haben.

Der Dienstagsmarkt hat angefangen! Um mir mehr Einblicke und Erfahrungen zu bescheren wurde mein Wochenplan etwas geändert, dienstags werde ich von nun an von 11 bis 21 Uhr für die Farm da sein. Entweder werde ich dann auf dem Markt stehen oder auf der Farm Aufgaben erledigen. Die ersten zwei Märkte kam Zach mit, einer aus dem Farmteam, um mir alles zu erklären.

Zunächst laden wir den Van mit einem ausgeklügelten System, sodass möglichst viel reinpasst. Motto ist: Was nicht mitgenommen wird, kann auch nicht gekauft werden. Und vielleicht findet man ja einen Abnehmer... Dann fahre ich den großen Van über den „freeway“ zum Markt, wo wir alles wieder ausladen und den Stand möglichst ansprechend aufbauen. Beim ersten Markt war dann allerdings nicht viel los, was wohl dem Regen und der Kälte anzurechnen war. Am Ende hatten wir den niedrig Rekord an Einnahmen seit Jahren! Anschließend muss man alles wieder einladen, das Geld zählen und die Standgebühren bezahlen. Endlich wieder zuhause war ich todmüde.

Sonst so auf der Farm topfen wir Tomaten um, kein leichtes Unterfangen. Um ein kräftigeres Wurzelwerk zu bekommen, wickeln wir den Stängel einmal um die schon vorhandenen Wurzeln herum und versenken dann alles unter der Erde im Blumentopf. Dabei muss man allerdings ziemlich vorsichtig sein, um den Stiel nicht durchzubrechen...

Fast jeden Freitag wird auf der Farm gekocht und zusammen Mittag gegessen, besonders während der Erntezeit ist es immer toll zu sehen, was für leckere Sachen man aus den ganzen Sachen machen kann, die wir auf der Farm so anbauen. Alle paar Wochen bin auch ich dran für die Crew zu kochen. Oft laden sich noch andere Leute aus der Community ein, sodass ich meist so 20-25 Leute einplane. Das Gemüseschnippeln dauert da schon etwas länger!

Nach langem Farbe-Abkratzen in meinem Zimmer hab ich es auch endlich geschafft, die ersten zwei Wände zu streichen, in einem hellen blau. Ich muss sagen, so gefällt es mir schon viel besser. Leider wurde es anschließend ziemlich heiß übertage, sodass ich es nicht lange im Zimmer aushalten kann. Die restlichen zwei Wände müssen also noch etwas warten.
Außerdem habe ich angefangen, mehr Freizeit in Studiumrecherchen zu investieren. Ein Studium nach dem IJFD wird es werden, das ist inzwischen entschieden, nur noch nicht was und wo.

Einige Wochenendausflüge habe ich auch im Mai unternommen, z.B. war ich mit zwei Freundinnen für einen Tag auf Whidbey Island, eine Insel nördlich von Seattle. Wir wurden von der Community losgeschickt, ein Ferienhaus auszukundschaften und zu bestimmen, ob es tauglich ist für die im Juli anstehenden Community vacations, die Ferien der Community. Gut gelaunt setzten wir mit der Fähre über und haben uns die Ortschaften angeschaut. Ergebnis: definitiv ferientauglich!!!

Ein anderes Wochenende war ich bei Heidi und Greg eingeladen, meinen Freunden des Square Dance Kurses. Am Samstag war ich mit dem Sohn und dem spanischen Austauschschüler einer Freundin von Heidi spontan in Seattle, ein sehr interessantes Erlebnis. Man fährt schließlich nicht alle Tage mit Fremden nach Seattle, die nur mit einem abhängen, weil Heidi das für eine tolle Idee hielt, da wir im selben Alter sind. Letztenendes hat es aber total Spaß gemacht und es war nicht so seltsam wie gedacht. Vom höchsten Gebäude Seattles aus haben wir auf die anderen Hochhäuser heruntergeguckt.

Am Abend nachdem die beiden mich wieder abgeliefert haben, bin ich mit Heidi und Greg nochmals nach Seattle gefahren, diesmal aber Westseattle. Fish 'n' Chips am Strand mit dem Bruder von Greg, der uns anschließend auch noch seine neue Wohnung gezeigt hat. Auf dem Rückweg fiel Greg ein, dass er mir unbedingt noch das Haus seines anderen Bruders zeigen muss, da die beiden es selbst aus Holz gebaut haben. Das Haus war dann auch ziemlich cool und ich durfte mir einen Vortrag über die unzähligen Rosen und Dahlien im Garten anhören.

Auch der Sonntag war ziemlich durchgeplant, nach einem Besuch des Tacoma Art Museums sind wir von Steilacoom mit der Fähre zur Andersson Island gefahren. Da Heidis Mutter aus Deutschland kommt und Heidi auch einige Sommer in Deutschland verbracht hat, haben die beiden sich die größte Mühe gegeben, deutsches Essen zu kochen, wirklich herzallerliebst. Übrigens kenne ich jetzt fast die ganze Familie samt Söhnen, Enkelkindern und Brüdern zumindest von Fotos und Geschichten, wenn nicht sogar in Person.

Ich habe es endlich geschafft, mich bei Habitat for Humanity zu engagieren. Morgens früh ging es los, nach einer kurzen Einweisung zur Sicherheit auf dem Bau und nachdem jeder mit passendem Helm und einem Hammer ausgerüstet wurde. Das Haus, an dem das Women Build Team gerade arbeitete, brauchte als erstes zwei riesige schwere Stützbalken für den ersten Stock. Gemeinsam haben wir die also hochgehievt, echte Teamarbeit. Anschließend haben wir bei bestem Wetter die Hämmer geschwungen, um die Wände im Erdgeschoss anzubringen. In Amerika sieht man auf den meisten Baustellen ein Gerüst aus Spanplatten, die von Holzbalken gehalten werden. Ich weiß nicht, ob das ganze normalerweise groß isoliert wird, in meinem Zimmer jedenfalls nicht. Also haben wir die Spanplatten an den Holzbalken festgenagelt, ich denke ich habe an dem Tag an die 250 Nägel verhämmert. Viel schneller und mit weniger Kraftaufwand verbunden war die „nailgun“, die Nagelpistole, die ich auch mal ausprobieren durfte. Zur Mittagszeit hatte ich die Gelegenheit, bei der Einzugsparty einer der Familien beizuwohnen, für die und mit denen die Häuser gebaut werden.

Fast jeden Tag fragt Doug im Haus, ob wir denn nicht mal alle zusammen Bowlen gehen können. Eines schönen Tages haben wir das also endlich wahr gemacht und sind als gesamtes Haus minus Shann zum Bowlen gefahren. Nancy hat gewonnen, nachdem sie beim letzten Wurf einen Strike hatte, es blieb also spannend bis zum Schluss.


Nun bleibt wirklich nur noch ein Monat bis zu meiner Abreise, es gibt aber noch einiges zu tun und zu erleben!
Bis bald und viele Grüße,
Anna Lena

annalena@weingut-schick.de

Anna Lena Schick
c/o L'Arche Tahoma Hope Office
12303 36th Ave. East
Tacoma, WA 98446
USA