Anna Lena Schick berichtet zum 7. Mal aus Übersee

Über Krokusse, Frösche und das Superbowlspiel als Straßenfeger

 

Bericht 7 – Februar

Liebe Unterstützer, Freunde, Verwandte und Bekannte,

Der Frühling ist da, Krokusse erblühen ebenso wie Kirschbäume. Ich schlafe beim Gequake der Millionen Frösche hier ein und wache von dem Geschnatter der Kanadischen Wildgänse auf, die in Tacoma ihren Winter verbringen. Ich kann gar nicht glauben, dass schon die Hälfte des Jahres verstrichen ist!

Auf der Farm bereiten wir gerade alles für den Beginn der Wochenmärkte vor, d.h. alle Pflanzen bekommen neue Erde mit neuen Nährstoffen, wir verpflanzen wie verrückt Babyblumen (an einem Freitag gab es den Geranienmarathon: Tausend Mini-Pflanzen an einem Vormittag) und säen Gemüse, Kräuter und Blumen. Damit die Saat schnell keimt bleiben die Anzuchtschalen für einige Tage auf Heizmatten, anschließend werden die zarten Pflänzchen im beheizten Gewächshaus mit klassischer Musik beschallt.

Als sich die Gelegenheit für eine Mitfahrgelegenheit nach Portland bot, packte ich die Gelegenheit beim Schopf, nahm mir einen Tag frei und verbrachte sonnige 3 Tage Portland, Oregon. Nach einigem hin und her konnte ich glücklicherweise bei den Jesuit-Volunteers, JV's, (eine Art FSJ von den Jesuiten) übernachten, die mich mit Gastfreundlichkeit überschütteten. Den ersten Tag bin ich mit Grace, einer der JV's, einfach ein bisschen in der Nachbarschaft spazieren gegangen. Es war toll, auf Bürgersteigen herumzustromern und Geschäfte außerhalb von Malls zu sehen. Die Atmosphäre in Portland war ziemlich beeindruckend, draußen waren überall ambitionierte Radfahrer, Jogger und Hundeausführer zu sehen, und jeder schien sich so zu kleiden und verhalten, wie er sein möchte. Dabei gaben die Leute aber auch einen unglaublich freundlichen und optimistischen Eindruck ab. Vielleicht trug auch das Wetter dazu bei, dass alles in so positivem Licht erstrahlte. Was aber definitiv besser ist als in Tacoma ist das Bussystem. Das konnte ich am zweiten Tag testen, als ich die St. John's Brücke besichtigte. Der Bus fuhr eine Stunde durch Vororte, bis endlich das Ziel erreicht war. Von der Brücke aus konnte ich dank klarstem Wetter die Berge in der Ferne sehen: Mt Saint Helen's, Mt. Hood und Mt. Adams. Gegen Mittag traf ich mich mit zwei anderen Gruppen der Tacoma Arche, wir haben gemeinsam Powell's bookstore unsicher gemacht, angeblich der größte Buchladen der Welt. Er erstreckt sich über 5 Etagen, nimmt einen ganzen Straßenblock ein und am Eingang bekommt man eine Karte zur Orientierung. Zurück nach Tacoma nahm ich den Zug, auf der Strecke kann man das Meer zur Linken und die Berge zur Rechten bewundern.

Endlich hat auch die Wandersaison wieder angefangen und so haben Brittni und ich, mit Wanderschuhen und Schokolade gerüstet, an die Besteigung des Little Si gemacht. Dass wir nicht die Einzigen waren, die auf diese Idee kamen, merkten wir schon bei der Parkplatzsuche – alles voll! Auch der Pfad war dementsprechend reich bevölkert, sodass wir bei einer Abzweigung die Gelegenheit ergriffen, den Menschenmassen zu entfliehen. Für den Rest der Wanderung genossen wir das Vogelgezwitscher, die moosbewachsenen Felsen und frisch begrünten Bäume um uns herum.

Mit dem letzten Superbowlspiel steigerte sich der American Football in ein dramatisches Finale. Die Seattle Seahawks spielten gegen die Patriots aus New England, die Hawks hatten schon fast gewonnen, als die Patriots doch noch die Oberhand bekamen. Ganz Tacoma war in grün und blau gekleidet und die Square Dance Stunde fiel aus, damit alle das Spiel anschauen konnten. Bzw. die Werbung in den zahlreichen Pausen, denn durch die hohen Zuschauerzahlen wurde die ganze Werbung nur für diesen einen Tag kreiert, und nur ein einziges mal ausgestrahlt. Ich habe mich nicht so vom Seahawksfieber anstecken lassen und war Einkaufen – Gähnend leere Gänge und der Typ, der sonst immer versucht, einem Elektrogeräte anzudrehen war zu sehr damit beschäftigt, das Spiel zu verfolgen. Danach habe ich mit anderen Uninteressierten auf der Not-Superbowlparty im Farmhouse Pizza gegessen und einen Spionfilm geguckt.


Das nächste Sportevent, dass die Community erschütterte, war ein Basketballspiel der Bellarmine Highschool. Der L'Arche Club der Schule hat die Community zum gemeinsamen Pizza essen und anschließenden Spiel eingeladen. Wenn ich da an meinen Sportunterricht an der Schule denke, dann gibt es da doch große Unterschiede. Das Spiel wurde von 3 professionell aussehenden Schiedsrichtern gepfiffen, es gab eine elektronische Anzeigetafel, Cheerleader mit Pompoms und sogar Zuschauer. Die Bellarmine-Ladys haben übrigens haushoch gewonnen.

Der letzte Schritt zum neuen Mandat ist getan! Die gesamte Gemeinschaft versammelte sich bei Ananda und jeder durfte abstimmen. Und Wunder oh Wunder, es wurde angenommen. Ab jetzt konzentriert sich alles auf die Suche nach einem neuen geeigneten „community leader“, der Leiter, da Stacy Cates-Carney gegen Juni dieses Amt ablegen wird. Das ist aber nicht die einzige Veränderung, auch Erin, eine der beiden Koordinatorinnen, wird Ende April die Community verlassen. Alle sind schon sehr gespannt, wie das mit den ganzen Umstellungen wohl so wird.

Im Februar begann die Farmhouse-Geburstagsserie, erst wurde Doug gebührend gefeiert, unser „old man“ hat sich gewünscht, dass wir alle zusammen mit seinem Bruder mexikanisch Essen gehen. Der zweite in der Reihe war dann Pietro und im März geht es weiter mit Shann und mir.

Damit wir uns besser mit Kendyl verständigen können, gibt es jeden zweiten Donnerstag American-Sign-Language-Unterricht für alle interessierten. Dort lernen wir Signs zu einem bestimmten Themenbereich (Farben, Tiere, Emotionen,...) und üben sie, indem wir uns gegenseitig Geschichten „erzählen“. Die Lehrerin erzählt selbst auch sehr gerne, benutzt aber während sie spricht gleichzeitig die Zeichen, sodass wir dabei einiges lernen.

Fastnacht wurde hier am „Fat Tuesday“, dem Faschingsdienstag, mit einer Community Night gefeiert, es gab Musik, ein paar Ansprachen und die traditionellen Pfannkuchen zum Abendessen. Am nächsten Tag, dem Aschermittwoch, haben wir, statt in die Kirche zu gehen, unsere eigene Asche hergestellt und uns etwas gemeinsame Zeit im Haus gegönnt. Während der Fastenzeit werden wir uns jeden Mittwoch in kleineren Gruppen treffen und ein bestimmtes Thema reflektieren.

Meine längste „Fahrradtour“ bisher war die zur Mall. 7km zum nächsten Klamottengeschäft ist schon was anderes als Göttingen, man merkt, dass wir doch eher außerhalb der Stadt wohnen.

Ich freue mich schon riesig auf den Rest des Jahres mit hoffentlich vielen Wanderungen und schönem Wetter – im Sommer macht ja alles noch mehr Spaß.

Vielen Dank für die ganze positive Rückmeldung auf meine Berichte, ich hoffe, ich kann euch ein bisschen von meinem Leben und meinen Erfahrungen hier berichten.

In dem Sinne viele Grüße und alles Liebe,
Anna Lena

annalena@weingut-schick.de

Anna Lena Schick
c/o L'Arche Tahoma Hope Office
12303 36th Ave. East
Tacoma, WA 98446
USA