Das Wort zum Sonntag...

... spricht P. Wolfgang Müller (Göttingen). Da der nächste Pfarrbrief erst kommende Woche erscheint dieses Mal exklusive online

 

 

Das Evangelium vom zweiten Sonntag nach Weihnachten am 04.01.15 (Joh 1,1-18)

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glau-ben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns ge-wohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle emp-fangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahr-heit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Her-zen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.


„Die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ – „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen. – „Das wahre Licht kam in die Welt...aber die Welt erkannte ihn nicht.“ – Im sog. Johannesprolog – dem „Vorwort“ zur Botschaft, die die Kirche in dieser Weihnachtszeit „verkostet“ – staunend und jubelnd – finden wir in ungeheurer Dichte die letzten Tiefen des „Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus“, wie der Verkünder des Evangeliums bei der Eucharistiefeier zum Abschluss sagt.

Dem machtvollen, erleuchtenden, befreienden Angebot Gottes, der den Menschen seine Sicht der Schöpfung und seine Pläne mit den Menschen durch Jesus Christus nahe bringt, steht aber immer die Weigerung und Ablehnung, das Zögern und das Misstrauen des Menschen gegenüber.

Doch immer wieder sendet Gott „Zeugen“ für dieses unumstößliche Angebot der Fülle des Lebens zu uns, angefangen bei der markanten Zeugengestalt Johannes des Täufers, der mit seinem Leben das Einstehen für den Messias bezahlt, bis zu den „treuen Zeugen“ unserer Zeit, die die Wahrheit nicht verraten, wozu der Zeitgeist uns ständig verführt, indem er uns zu Eigenmächtigkeit und Gewalt, zu Eigennutz und Unaufrichtigkeit, zu Undankbarkeit und Anspruchshaltung anregt. Diese Zeugen für den Glauben hat die Kirche immer in den Heiligen gesehen. Weil durch sie der Glaube „bewiesen“ wird, nennt Papst Benedikt XVI. sie „gleichsam einen lebendigen Beweis des Glaubens“ und eine „Lichtspur, die Gott durch die Geschichte gezogen hat“. Sie geben Zeugnis für das Licht, „das jeden Menschen erleuchtet“, weil sie Christus als Licht in sich tragen, das durch sie hindurch in unsere Welt, in der wir leben, hineinstrahlt. Sie haben an sich erfahren, dass es Wirklichkeit ist: Wenn wir Jesus aufnehmen, bekommen wir die „Macht, Kinder Gottes zu werden“, geliebte Söhne und Töchter Gottes“, „Brüder und Schwestern“ Jesu, unsres Bruders (Röm 8,29), denen Gott die Treue hält und die er auf gleiche Augenhöhe erhebt, so dass wir Partner Gottes werden. Das ist uns zugesagt.

Wer dieser Berufung folgt, indem er Jesus glaubt, „hat das ewige Leben“ (Joh 3,36). Durch diese ganze Botschaft des Johannesevangeliums zieht sich die Überzeugung, dass es eine Wirklichkeit im Werden ist. So wie er „Fleisch“, „Mensch konkret“ wurde, so ist auch unser „Kind-Gottes-sein“ eine Vollmacht, eine „Berechtigung“ dazu, es zu werden. Dabei zählt nicht unsere menschliche Herkunft „aus dem Blut, .. aus dem Willen des Fleisches,...aus dem Willen des Mannes“, sondern unsere Entscheidung für Gott im Glauben an Jesus Christus. Sie bringt uns „Gnade um Gnade“.

Was spricht mich in diesem Evangelientext an? Wo habe ich selbst eine Erfahrung der „Fülle“ durch meine Glaubensentscheidung? Wo spüre ich, dass ich am Wachsen, am „Werden“ bin auf meinem Weg mit Jesus? Wo ahne ich, dass da noch Ablehnung, Widerstand in mir steckt, der es mir unmöglich macht, aufzubrechen und weiterzukommen?

Wolfgang Müller SJ


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