Die Schule lässt ihn nicht los

Dass sein Wechsel nach Göttingen einen solchen Aufruhr verursachen würde, dass hätte er sich nicht träumen lassen. Seit September ist Pater Theo Schneider der neue Superior der Jesuitenkommunität in Göttingen. Zur Kommunität gehören fünf Jesuiten

 

Göttingen (kpg) – Dass sein Wechsel nach Göttingen einen solchen Aufruhr verursachen würde, dass hätte er sich nicht träumen lassen. Seit September ist Pater Theo Schneider der neue Superior der Jesuitenkommunität in Göttingen. Zur Kommunität gehören fünf Jesuiten in Göttingen und zwei weitere in Hannover. Schneider folgt Pater Benedikt Lautenbacher nach, der vor wenigen Monaten nach Rom wechselte.

Bereits im Vorfeld hatte die Personalie für Aufregung gesorgt, der Einführungsgottesdienst war gar von Protesten begleitet, eine Handvoll Demonstranten störte die Messe mit Transparenten. Der Hintergrund: Von 1984 bis 2006 war Schneider Leiter des Internats des Aloisiuskollegs in Bad Godesberg bei Bonn, bis 2010 auch Leiter der Schule, die in den Missbrauchsskandal verwickelt war. Im Interesse einer lückenlosen Aufklärung aller gegen das Kolleg gerichteten Missbrauchsvorwürfe war Schneider im Februar 2010 von seinem Amt zurückgetreten, obwohl aus juristischer Sicht nichts gegen ihn vorlag. „Trotzdem haben manche Menschen offensichtlich geglaubt, dass jetzt ein Monster hierher kommt“, sagt er – und in seiner Stimme mischen sich noch immer Verwunderung und Traurigkeit.

Dass es ein „gravierender Fehler“ gewesen sei, „nicht früher, lauter und rigoroser eingeschritten zu sein und unterbunden zu haben, wo mein eigener Kompass in unserem Kolleg Falsches anzeigte“, hat Schneider mehrfach gesagt und geschrieben, zuletzt in den Pfarrnachrichten von St. Michael, wo Schneider nun Pfarrer Manfred Hösl in der Seelsorge unterstützt. „Das tut mir sehr leid.“ Mehr will er zu dem Thema nicht mehr sagen: „Denn es wird doch alles ausgelegt – wenn ich schweige und auch wenn ich spreche.“

Lieber spricht Schneider über seine neuen Aufgaben: Neben der alltäglichen Seelsorge will er wie schon sein Vorgänger Exerzitien für die Priester in der Diözese anbieten. Und er will mit den Menschen ins Gespräch über den Glauben kommen: „Welche Antworten gibt der Glaube auf die wirklich wichtigen Fragen im Leben? Darüber wird viel zu wenig gesprochen“, meint der 64-Jährige. Gerade bereitet er eine entsprechende Veranstaltungsreihe vor. Außerdem engagiert sich Schneider im Team des Glaubenskurses, der Anfang des kommenden Jahres startet. Hier haben Interessierte die Möglichkeit, alles Wichtige über den katholischen Glauben zu erfahren und sich, wenn eine entsprechende Entscheidung gereift ist, in der Osternacht taufen oder firmen zu lassen.

Die Entscheidung, sich ganz dem Glauben zu widmen, hat Schneider selbst mit 31 gefällt. 1977 tritt er in den Jesuitenorden ein. Für religiöse Fragen habe er sich schon als Kind interessiert. Doch als seine Eltern – er wächst in einem kleinen Dorf auf einem Bauernhof in der Nähe von Trier als jüngstes von vier Geschwistern auf – den 10-Jährigen aufs Gymnasium schicken wollen, lehnt er ab. „Ich habe ihnen erst einmal eine landwirtschaftliche Lehre abgetrotzt, bevor ich mit 16 dann doch noch auf´s Gymnasium wechseln wollte“, erinnert er sich.

Nach dem Abitur studiert Schneider Theologie, Pädagogik und Psychologie und macht das Staatsexamen – „und das, obwohl ich zu denen gehörte, die nach dem Abitur geschworen haben, nie wieder eine Schule, geschweige denn ein Internat zu betreten“, schmunzelt er. Doch die Mitarbeit am Jesuitenkolleg stimmt ihn um. Schneider arbeitet dort zunächst als hauptamtlicher Erzieher und Religionslehrer, nach Aufbaustudium, Priesterweihe und pädagogischen Praktika im In- und Ausland kehrt er 1984 als Internatsleiter an die Schule zurück. Bis heute ist Schneider fast jeden Samstag irgendwo in Deutschland unterwegs, um ehemalige Schüler, die sich mit ihm verbunden fühlen, zu trauen oder deren Kinder zu taufen. Auch insofern lässt ihn das Aloisiuskolleg nicht los.