Die Stellung der Frau in den urchristlichen Gemeinden - Situation damals, Konsequenzen heute

Vortrag von P. Manfred Hösl SJ im Rahmen einer Reihe des katholischen Bildungswerkes

 

 

Das Katholische Bildungswerk wartete am Mittwochabend, 14. Mai, mit einem Vortrag von P. Manfred Hösl SJ zum Thema Frau in der (Ur-)Kirche auf. Die Vorsitzende des KBW, Frau Ingeborg Hesse konnte 30 Interessierte im Gemeindesaal von Sankt Michael begrüßen.

Nach dem einstündigen Vortrag ergab sich eine muntere Diskussion. Hier standen sich die, denen "es" viel zu langsam geht und die, die

das schon Erreichte wertschätzen wollen, gegenüber. Hier eine Zusammenfassung der Thesen von P. Hösl:


1. Entscheidende Ausgangsbasis für das Verhältnis Mann - Frau bildet die von Paulus übernommene, wohl aber schon in der ersten Urgemeinde übliche Grunderkenntnis: Es gibt in Christus weder Mann noch Frau, sondern beide sind gleichberechtigte Schwestern und Brüder mit gleichen Rechten und Pflichten (vgl. Gal 3,27f). Diese urchristliche Gleichheit – schon der irdische Jesus hatte Frauen in seiner Gefolgschaft - wurde in den ersten, von Paulus gegründeten Gemeinden auch praktiziert: Frauen waren als Missionarinnen, Gemeindeleiterinnen, Seelsorgerinnen, Lehrerinnen, Predigerinnen und Katechetinnen aktiv.

2. Im Zuge der ausbleibenden, bislang als unmittelbar bevorstehend gedachten Wiederkunft Christi stellte sich immer drängender das Problem, feste Strukturen zu organisieren. Die ursprünglich eher spontan entstandenen Ämter wurden systematisiert und später hierarchisiert. Am Ende der Entwicklung stehen die drei Ämter, die es heute noch gibt: Bischof - Priester – Diakon.

3. Mit dem sich verzögernden Weltende standen die jungen Gemeinden zunehmend vor dem Problem das innergemeindliche Zusammenleben zu ordnen ohne dass eine klare Handlungsanweisung von Jesus selbst oder den ersten Aposteln zu Verfügung stand. Die Gemeinden lösten dieses Problem, indem sie - soweit nicht explizit der christlichen Idee widersprechend - Werte und Konventionen aus ihrer unmittelbaren Umwelt übernahmen, möglicherweise christlich modifiziert. In vielen machte man, auch aufgrund von Angst vor Ausgrenzung oder Verfolgung, weitgehende Zugeständnisse, die für uns heute nur noch schwer nachvollziehbar sind. Dies gilt besonders für die Beziehungen der Geschlechter, wo sich das Christentum, trotz der Erkenntnis, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind, z.T. völlig an in der Umwelt vorherrschende Praktiken anschloss.

Am Schluss präsentierte P. Hösl fünf Punkte, die mögliche Konsequenzen heute sein könnten.

1. Das Urchristentum gibt es nicht! Das Urchristentum war eine vielgestaltige, sich verändernde Form. Eine Form daraus herausgreifen und zu normieren geht nicht und widerspräche gerade der Buntheit der damaligen Gemeinden.

2. Die von Paulus formulierte Maxime von Gal 3,27f bleibt Erbe und Auftrag. Unsere Glaubensväter und -mütter sahen sich in einer christenfeindlichen Umwelt nur wenig in der Lage diesem Ideal zu entsprechen. Die liberalen Gesellschaften von heute sind ein Rahmen dieses Ideal - endlich! - umzusetzen.

3. Gleichzeitig gilt es den in den letzten 2000 Jahren gewachsenen Strukturen Tribut zu zollen. Diese haben ein enormes Eigengewicht, das berücksichtigt, aber auch entlarvt werden muss.

4. Ein Blick auf die 500-jährige Kolonialgeschichte Westeuropas rät zu Vorsicht anderen Kulturen die eigenen Werte aufzudrücken. Zudem schrumpft das Christentum in (West-) Europa, während es in anderen Regionen wächst. Aus der Sicht Roms kann man fragen: Warum sollte man ausgerechnet die Rezepte der europäischen "Looser" übernehmen und den "Winnern" in Asien überstülpen?

5. Aus diesen Gründen schlägt P. Hösl einen evolutionären Weg vor. Das Diakonat der Frau könnte ein Schritt sein, der einerseits einschneidend genug ist die Reformer zu ermutigen, auf der anderen Seite den Konservativen zumutbar ist.

Noch lange nach dem Vortrag und dem offiziellen Schluss setzten sich die Gespräche im informellen Bereich fort. Der Abend soll eine Fortsetzung erfahren:

„Frau, dein Glaube ist groß“ – Erfahrungen von Frauen in der Kirche
Mit Frau Annette Burchardt und Frau Hildegard Sanner --- 25.06.14 um 19:00 Uhr in St. Heinrich und Kunigunde

Ausgehend von individuellen Erfahrungen der Teilnehmer/innen zum Thema "Frauen in der Kirche", stehen folgende Aspekte im Mittelpunkt des Abends:

-   derzeitiger theologischer Diskussionsstand zur Stellung der Frau in der katholischen Kirche

-   Darstellung des konkreten Engagements von Frauen, u.a. am Beispiel eines katholischen Frauenverbandes

-   Möglichkeiten, wie im Dekanat Göttingen "die Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche erweitert werden" (Evangelii Gaudium 103) können.

 

Referentinnen:

Hildegard Sanner, Referentin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Diözesanverband Hildesheim

Annette Burchardt, Referentin für Ehe und Familie/Gender im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim