Dies Communis auf historisch brisantem Boden in Friedland

Die Göttinger SeelsorgerInnen informieren sich über die Lage im Grenzdurchgangslager

 

 

 

Die SeelsorgerInnen des Dekanats trafen sich am Donnerstag im Grendurchgangslager Friedland. Schon kurz vor dem offiziellen Beginn eröffnete Dechant Wigbert Schwarze das gut besuchte Treffen. In einer kurzen Vorstellungsrunde wurde besonders die neuen Mitglieder begrüßt: Benjamin Würstlein ist mit einer 50% - Stelle jetzt neben Sigrid Nolte im Jugendhaus angestellt. Und Frater und Pater ins Spe Matthias Kramm SJ stellte sich als neuer Kaplan von Sankt Michael vor.

Den geistlichen Impuls hielt der formal zuständige Ortsgeistliche, Pfarrer Georg Vetter aus Maria Frieden. Sein lokaler Verteter vor Ort, P. Greh, konnte leider aufgrund schon länger organisierter Exerzitien nicht da sein. Georg Vetter spielte mit dem Wort Kreuz und weckte so viele Assoziationen. Als Anschauungsobjekt hatte er einen Kreuzschlüssel mitgebracht. Das Kreuz kann ein Pluszeichen sein.. sicher noch viele andere Bilder stiegen in den Fantasien der Zuhörern auf.

Dann hatten Herr Große, der stellvertretende Standortleiter sowie Herr Heek, der Leiter der CARITAS-Stelle, das Wort. Herr Große ließ in wenigen Worten die spannungsreiche Geschichte seit 1945 Revue passieren. Es mussten z.T. gigantische Integrationsleistungen gemeistert werden. Im Jahr 1945 passierten z.B. 500 000 Menschen das Lager. 1955 war sicher einer dem emotionalsten Momente: Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte die Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen erreicht - die Bilder ihrer Heimkehr sind bis heute unvergessen! Später kamen (Spät-) Aussiedler oder jüdische Zuwanderer. Derzeit sind es v.a. Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, aber auch aus der Russischen Förderation, Eritrea oder Pakistan.

Inzwischen gibt es ein auf Bundes- Landes- und Kommunalebene praktiziertes Kontingentsystem, das versucht alle Regionen möglichst gleich, im Rahmen des Leistungsvermögens, zu belasten. Die Flüchtlinge werden nach bestimmten Kriterien aufgeteilt. Dann erfolgen ärztliche Untersuchungen, Sprachkurse, Behördengänge, usw. Nicht immer ist es für die Verantwortlichen vor Ort hilfreich, wenn Familien oder gar Verwandtschaften unter sich bleiben, da man dann häufig auch weniger die Notwendigkeit sieht sich mit der deutschen Kultur und Sprache zu beschäftigen.

Die Friedländer haben sich seit den vergangenen 60 Jahren längst an das Lager gewöhnt. Sie haben die eine oder andere Welle schon anschwellen und abebben sehen. Die Friedländer sind tolerante Menschen und Übergriffe sind äußerst selten. Was nicht bedeutet, dass die Mitarbeiter von CARITAS und Innere Mission (Diakonie) nichts zu tun hätten. Im Laufe der Zeit hat man versucht das Angebot zu spezialisieren, etwa für Frauen.

Im Vergleich mit früher müsse man derzeit - so Herr Heek - "zwangsflexibler" sein, d.h. die Flüchtlinge kommen immer schneller aus immer unterschiedlicheren Gebieten. Die Fluchtwege werden ingesamt kürzer; viele kommen über das Mittelmeer. Das Lager hat Dolmetscher in allen Sprachen.

Diakon Hacub kümmert sich besonders um die Christen im Lager. Dabei achtet man bewusst darauf, die ankommenden Christen in die bereits stattfindenden Gottesdienste zu integrieren. Kleine Punkte, wie das Evangelium auch in arabischer Sprache gelesen oder eine kleine Katechese am Ende der Messe sollen einerseits zeigen, dass man auf die Kommenden Rücksicht nimmt, sie aber gleichzeitig integrieren möchte. Wegen der relativ kurzen Aufenthaltszeiten macht es wenig Sinn z.B. eine eigene Gemeinde für chaldäische Christen zu gründen. Selbst die anwesenden Muslime besuchen St. Norbert und zünden eine Kerze vor Maria an, die auch den Muslimen sehr viel bedeutet.

Als besonderer Gast berichtete dann Herr Freiberg, der ehemalige Stadtrat und Schulleiter der Bonifatiusschule II, über die Geschichte Friedlands, der man jetzt auch mit einem eigenen Museum gerecht werden will. Namhafte Einzelpersonen wie Guido Knopp vom ZDF oder die Göttinger Universität helfen dabei - 2015 ist die Einweihung geplant! Man bereitet sich besonders auf die Besuche von Schulklassen vor.

Nach einer allgemeinen Information führte Herr Freiberg dann die SeelsorgerInnen durch einige Stellen im Lager. Man ging an der berühmten Friedlandglocke vorbei und besichtigte die Kirche St. Norbert. Herr Freiberg erklärte die wichtigsten Kunstgegenstände. Dabei nannte er auch ein bisher ungelöstes Dilemma: So hat ein Kind sich einmal dahingehend geäußert, dass alles in der Kirche so traurig wirke. In der Tat: Den in den Fenstern und Reliefs abgebildeten Menschen steht der Ernst ins Gesicht geschrieben. Man merkt: Die Kirche ist ein Kind seiner Zeit. Und so mancher, der in Friedland seine ersten Schritte auf deutschen Boden verbracht hat, kommt um seine Kirche von damals wieder anzusehen. Was aber ist mit den immer mehr Werdenden, die ihr Leben noch vor sich haben und die Geschichten von früher immer weniger kennen? Die Seelsorge vor Ort steht hier vor diffizilen Herausforderungen, um den Spagat zwischen Damals und Heute zu schaffen..

Mit einer kräftigen Suppe und Kaffee, die Frau Waltraud Schmidt, der gute Geist von St. Norbert, vorbereitet hatte und einem spannenden Gespräch über das Gehörte und Gesehene endete dieser nachdenkliche Dies.