Fastenzeit: Abtauchen ins Gebet

Exerzitien: Geistliche Frischzellenkur à la Ignatius von Loyola

Am ersten Fastensonntag wird traditionell das Evangelium von der Versuchung Jesu in den Gottesdiensten gelesen. Modern gesprochen könnte man sagen: Jesus macht Exerzitien. Diese gehören zum geistlichen Programm eines jeden Jesuiten. P. Hans-Martin Rieder SJ bricht derzeit in seine 10-tägigen Exerzitien auf. Hier seine Gedanken zu seinem Gang in die Wüste...

Bald sind es sechs Monate seit ich zum Priester geweiht wurde. Kurz darauf kam ich nach Göttingen und habe hier meine Arbeit als Kaplan in der Gemeinde Sankt Michael und der khg: Göttingen begonnen. Es waren sehr schöne und intensive Monate in denen ich nicht nur unglaublich viel (und viele) kennengelernt habe, sondern ebenso intensiv das Wirken Gottes in dieser unseren Welt miterleben durfte. Voll von all diesen Eindrücken, die manchmal auch herausfordernd sind, ist es die richtige Zeit, dass ich mich für ein paar Tage ins Gebet zurückziehe: meine Jahresexerzitien stehen an.  

Exerzitien und Jesuiten sind untrennbar miteinander verbunden. Unser Gründer, Ignatius von Loyola hat über viele Jahre hinweg und durch seinen eigenen Bekehrungsprozess diese sehr besondere Art und Weise des Betens entwickelt. Seither wirken die Exerzitien in der Kirche, stets mit dem Ziel, das eigene Leben „zu ordnen“ und die persönliche Gottesbeziehung zu stärken. Über die Jahrhunderte hinweg gab es natürlich auch Weiterentwicklungen, wenngleich die Quelle für uns Jesuiten immer das kleine Exerzitienbüchlein von Ignatius ist. Für mich sind die Exerzitien lebensentscheidend, mittlerweile fast lebenswichtig. Es waren meine ersten Exerzitien im Jahr 2008, in denen ich nach fast 15 Jahren des Überlegens und Abwägens die Entscheidung getroffen habe, dass ich Priester und Jesuit werden will. Die Art des Betens in den Exerzitien ist für mich wie der beherzte Sprung in ein ruhig vor mir liegendes Wasserbecken, in das ich eintauche und dann kraftvoll meine Bahnen ziehe. Dabei ergeben sich so manche Wellen, die weite Kreise ziehen können. Das kann anstrengend sein. Gleichzeitig ergibt sich eine ganz wunderbare Strömung, entsteht ein Fluss, der mich tragen und führen kann. Je tiefer ich eintauche, desto stiller wird es und desto offener wird mein Herz für die Quelle meines Lebens - für Gott. Dennoch muss ich immer wieder auftauchen, allein schon um Luft zu holen und damit ich mich nicht in der Tief verliere – das sind die Begleitgespräche mit dem Exerzitienmeister. Der hilft dabei, den Realitätskontakt zu halten.

Diese intensive Zeit des Betens und mit Gott ist wichtig für mich, damit auch der Alltag des restlichen Jahres wieder neu ausgerichtet und verankert wird. Gleichzeit bin ich um die zeitliche Begrenzung – in aller Regel 10 Tage – froh. Danach brauche ich wieder festen Boden unter den Füßen und freue mich, die Früchte der Exerzitien in meinen Alltag zu tragen.

Mit der Bitte um Ihr begleitendes Gebet für meine Exerzitien freue ich mich auf ein baldiges Wiedersehen hier in Göttingen und wünsche Ihnen ein gutes Vorangehen in der österlichen Bußzeit!

Ihr P. Hans-Martin Rieder SJ