Grundkurs in Sachen Flüchtlinge

P. Friedolin Pflüger SJ erzählt von seinen Erfahrungen aus Afrika, Nahost und Asien

 

 

 

 

P. Fridolin Pflüger SJ erzählte am Dienstag, den 3. Mai, im Rahmen der Citypastoral im ANCORA-Beratungszentrum von seiner Arbeit für den Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS). Die 1980 gegründete Einrichtung startete mit dem Engagement für vietnamesische Boatpeople in Thailand, ist aber jetzt überall zu finden, wo Flüchtlinge zu finden sind – und die gibt es bekanntlich und leider fast überall auf der Welt! Insgesamt sind – so der Jesuit – etwa 60 Mio Menschen auf der Flucht. Davon etwa 20 Mio „normale“ Flüchtlinge, ca. 2 Mio Asylsuchende und knapp 40 Mio Vertriebene. 86% dieser Menschen werden von Entwicklungsländern aufgenommen – nur eine Zahl, die klar macht, wie unsinnig die Redeweise ist: Warum kommen die alle zu uns?! Der kleine Libanon mit 4 Mio Einwohnern hat 1,6 Mio Flüchtlinge aufgenommen. Auf Deutschland proportional übertragen würde das bedeuten, dass 20 Mio Menschen hier zu uns kämen!

Die Aufgabe, die sich der JRS gesetzt hat ist: Accompany (Begleiten), Serve (sich kümmern) und Advocate (sich für Rechte einsetzen). Zäune sind dabei wahrlich keine Lösung. Zwar hat die Schließung der Balkanroute zunächst erst einmal in Europa für Aufatmen gesorgt, aber dabei könnte es sich um etwas Voreiliges handeln. Denn dafür dürften jetzt wieder mehr über das oft tödliche Mittelmeer kommen, das wohl schon an die 20 000 Flüchtlingen das Leben gekostet haben dürfte.

Richtig froh und etwas stolz ist P. Pflüger über die Willkommenskultur in Deutschland, die – so der Referent - von vielen Ländern bewundert wird. Toll, was da von einfachen Leute in den Unterkünften geleistet wurde.

Die allermeisten Flüchtlinge freilich wollen gar nicht nach Deutschland. Die meisten flüchten nur von einer (kriegerischen) Ecke des Landes in eine andere, friedlichere. Und wenn schon dann zieht man nur ins Nachbarland (v.a. Türkei, Libanon, Jordanien…) um möglichst bald wieder nach Hause kommen zu können. Dies gilt selbst für die prallen Flüchtlingslager in Uganda, die sich derzeit wieder mit Südsudanesen füllen. Selbst diese wollen wieder in ihre Heimat, obwohl der Lebensstandard selbst im Flüchtlingslager höher ist als im eigenen Land! Die meisten Flüchtlinge in Deutschland stammen derzeit aus Syrien, das größte Aufnahmeland ist die Türkei. Dies muss man bei der Demokratieschelte gegenüber Erdowan bedenken. Hauptursache für die Flucht sind (Bürger-) Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Anschläge, Verfolgungen, Machtkämpfe und Verelendung.

P. Pflüger wies auf die Janusköpfigkeit unserer Wirtschaft hin: Unsere wirtschaftlichen Interessen zerstören nämlich nicht selten die Wirtschaft vor Ort und führen erst dazu, dass die Menschen sich dort auf den Weg machen. Waffenverkäufe und der Import von billigen Rohstoffen ist finanziell gut für uns – schlecht für die Ökonomie der Länder dort!

Vieles könnte besser und leichter sein, wenn die EU schneller zu einem stärkeren einheitlichen Handeln kommen könnte. Aber hier gibt es große Unterschiede. Außer Schweden, Deutschland und – jedenfalls bis vor kurzem – Österreich betreiben die meisten Länder eine viel rigorose Flüchtlingspolitik. Und manche Länder (z.B. Saudi-Arabien, Russland oder China) scheinen nicht besonders attraktiv für Flüchtlinge zu sein.

Wie ist Familienzusammenführung zu bewerten? P. Pflüger meinte, dass - unter dem Strich - eine Zusammenführung der Integration eher dient als schadet. Entwurzelte Menschen müssten in teuren Therapien wieder betreut werden. Aus dem Auditorium kam freilich auch die gegenteilige Ansicht: Familien oder Familienverbände erweisen sich eher als integrationshemmend: Man hat ja schon soziale Kontakte und muss gar nicht auf die Kultur vor Ort zugehen!

Ein wichtiger Satz war, dass die Hilfe für die kriegsbenachbarten Länder letztlich auch wirtschaftlich billiger ist als die Integration kriegsgeschädigter Massen - man denke an eine ganze Generation von Kindern, die mit Gewalt und Terror aufgewachsen sind und ein normales Leben nie kennengelernt haben. Der berühmte Satz, dass man die Flüchtlingsursachen bekämpfen muss, sei schon richtig, so P. Pflüger. Nur: Wie macht man das konkret? Wie kann man z.B. den Krieg in Syrien beenden? Das ist sicher nicht leicht und ebenso sicher nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Man wird hier auch wohl nicht umhin kommen mit zwielichten Kräften Absprachen treffen zu müssen, wie etwas Präsident Assad, der ausgerechnet die Hoffnung der wenigen verbliebenen Christen geworden ist. Leider hat ja auch die UNO keine wirkliche Macht und kann Streithähne nicht zum Frieden zwingen.

Immer wieder gab es einzelne Fragen, aber im Großen und Ganzen lies P. Pflüger nur wenig Fragen offen, da er sehr anschaulich berichtete. Freilich ist ihm gleich aufgefallen, dass wir Deutsche auch an diesem Abend oft sehr schnell auf den Nahen Osten blicken, während er auch die gigantischen Lager im Südsudan oder im Kongo vor Augen hat, wo sich – oft von Europäern unbemerkt – die Flüchtlingsdramen im XXL-Format abspielen.

Wer die Flüchtlingsarbeit unserer Gemeinde konkret kennenlernen möchte, der hat schon am kommenden Samstag wieder Gelegenheit, denn da heißt es wieder: Tea time!