Karl-Heinz "Kuddel" Holz u.a. erhalten den Zivilcouragepreis 2015 der Stadt Göttingen

Viele Ehrenamtliche und Gäste des Mittagstisches waren bei der Ehrung im alten Rathaus

 

 

So hatte man Kuddel bisher noch nicht oft gesehen: Mit stramm gebügeltem Hemd und Krawatte, so als käme er eben vom Laufsteg für Männermode. Und er fühlt sich offensichtlich in solchen Klamotten auch nicht richtig wohl, aber bei diesem Anlass musste es einfach mal sein. Die Bilder des Göttinger Tageblattes finden Sie hier.

Der Präventionsrat der Stadt Göttingen hat den von der Bürgerstiftung gestifteten Göttinger Zivilcouragepreis verliehen. Das alte Rathaus bot ein feierliches Ambiente für die Preisverleihung, zu der Stadtrat Siegfried Lieske die zahlreichen Gäste, meist Freunde der Geehrten, begrüßte. Herr Lieske schlug einen gewaltigen Bogen zu den derzeit in aller Munde seienden Terroranschlägen in Paris, Ankara oder Beirut hin zum Thema des Abends.

Zivilcourage bedeutet dabei nicht Tollkühnheit, sondern beherztes Eingreifen. Alle Preisträger betrachteten denn auch ihre Tat als "normal" und keineswegs als besondere Leistung.

Den musikalischen Part hatte das erst vor zwei Tagen gegründete Gregor Oehlmann Quartett übernommen - man meinte, die spielen schon ewig zusammen!

Den Festvortrag hielt Prof. Dr. Thomas Bliesener vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Hannover. Er legte dar, dass Empathie (fast) angeboren ist. Schon bevor der Mensch laufen kann, kann er Schmerz, Leid und Trauer anderer Menschen nachempfinden. "Leider" kann diese Anlage verkümmern. Im guten Fall wird Empathie aber in der Familie und Peergroup weiter erlernt. Dabei geht es nicht um die Frucht harten Trainings - wie bei Hochleistungssportlern. Es geht auch nicht um eine besondere Begabung wie auf dem Feld der Kunst oder Musik. Die Preisträger sind, so gesehen, ganz normale Menschen, die der Gesellschaft sagen: Das kannst Du auch!

Dann kamen die Geehrten der Reihe nach auf die Bühne. Darunter waren Einzelne und Gruppen, die in der aktuellen Flüchtlingskrise initiativ wurden. Eine Initiative hatte - die moderierende Hauptkommissarin Jacqueline Emmermann musste ein wenig weghören... - die Freifunker gestartet: Die Flüchtlinge brauchen nicht nur Essen und ein Dach über dem Kopf, sondern auch (am besten kostenlosen) Kontakt mit Zuhause. Ein anderer Preisträger sammelt seit Jahrzehnten (!) den Müll am Baggersee auf, damit er am nächsten Tag wieder sauber ist. Eine Preisträgerin schreibt Gedichte um ihre Gewalterlebnisse in der Kindheit zu verarbeiten und drei Männer hatten ihren Kollegen mit Erster Hilfe einfach das Leben gerettet.

Letzter und Hauptpreisträger aber war Karl-Heinz "Kuddel" Holz. Viele Ehrenamtliche und auch Gäste waren gekommen, um ihm Danke zu sagen. Er war im letzten Jahr beherzt in eine Rangelei bei Mittagstisch eingeschritten und bezahlte seinen Einsatz - ohne Fremdeinwirkung - mit vielen Monaten Krankenhausaufenthalt und neun (!) Operationen. Unglücklicher Weise war Kuddel bei seinem Einsatz tragisch gefallen, so dass eine bösartige Fremdeinwirkung gar nicht der Fall war. Zu 80% fühle er sich wieder fit, so Kuddel, aber er will die 100% erreichen, d.h. bei der nächsten Tour d'Energie mit seinem Fahrrad wieder mitmachen.

Nach einem weiteren Musikstück gab es kleine Snacks und Getränke, Smalltalk und jede Menge knipsender Digitalkameras...