Kinofilm SILENCE: Was wäre ich ggf. bereit für meinen Glauben zu erdulden?

Filmrezension von Marcus Grabisch SAC

Nach Mission mit Robert de Niro und Jeremy Irons gibt es jetzt wieder einen Jesuitenfilm, den Martin Scorsese gedreht hat. Für Jesuiten ist der Film natürlich ein Muss. Praktikant Marcus Grabisch SAC hat sich den Film angeschaut und schildert seine Eindrücke.

Für einen Praktikanten bei den Jesuiten ist dieser Film fast schon ein Muss. Und daher bin ich sehr dankbar, dass sich gestern Abend, oder besser gesagt, gestern Nacht die Gelegenheit bot, sich diesen Film im Kino anzuschauen. Silence von Martin Scorsese. Ein wie ich finde sehr packender, emotionaler Film, der den Zuschauer praktisch in das Geschehen hineinzieht, ob er will oder nicht. Aber von vorne.

Kurz wird dargestellt, wie die beiden jungen Jesuitenpatres Sebastiao Rodrigues und Francisco Garrpe mit ihrem Oberen über ihre Japanmission sprechen. Der Obere möchte die beiden jungen Patres nicht nach Japan schicken, so wie es vorgesehen war, denn es scheint zu gefährlich zu sein. Von Pater Cristavao Ferreira, der schon einige Zeit in Japan ist, gibt es kein Lebenszeichen mehr und es gibt Berichte, dass er dem Glauben abgeschworen haben soll. Auf ausdrücklichen Wunsch der beiden jungen Patres schickt sie der Obere nach Japan. Mit dem Hinweis: „Sobald ihr das Land betretet, seid ihr in großer Gefahr.“

Ein japanischer Landsmann wird den beiden Portugiesen als „Reiseleiter“ vermittelt. Ob ihm zu trauen ist, wird offen gelassen. Eine merkwürdige – und wie sich im weiteren Verlauf des Filmes noch herausstellen wird – eine tragische Person.

Die Überfahrt nach Japan wird kaum gezeigt, der Film konzentriert sich auf das Wesentliche. Auf das Leben aber auch Sterben in Japan. Zunächst lässt der „Reiseleiter“ die beiden Jesuitenpatres am Strand in einer Art Höhle zurück. Plötzlich kommen Japaner in die Höhle. Es scheint, als ob sie verraten wurden. Aber der „Reiseführer“ hat der kleinen christlichen Gemeinde Bescheid gegeben, dass wieder Priester auf der Insel sind. Die Patres werden im Schutz der Dunkelheit in das Dorf gebracht. Denn Christen werden verfolgt und dazu bewegt ihrem Glauben durch einen Tritt auf ein Jesusbild abzuschwören. Wer sich weigert, wird gequält und getötet.

Auf dem Weg ins Dorf klingt kurz die thematische Frage des Films an. Ein Japaner fragt Pater Rodrigues, ob Gott bei ihnen ist. Der Jesuit antwortet kurz mit innerer Überzeugung: „Ja, er hört euch!“ Die Patres werden in einer entlegenen Hütte versteckt und kommen immer in der Nacht ins Dorf. Sie tun viel Gutes. Kümmern sich um die Menschen, schenken ihnen religiöse Symbole, die Kraft geben sollen und feiern Eucharistie und hören Beichte. Wenig später ist der japanische Großinquisitor in dem Dorf, denn er hat gehört, dass es dort Christen und vor allem Priester geben soll. Er lässt den Bewohnern Zeit zu überlegen, ob sie die Patres ausliefern, oder ob sich vier Freiwillige als Geisel nehmen lassen. Nach heftigen Auseinandersetzungen in der Dorfgemeinschaft stellen sich vier Männer freiwillig zur Verfügung. Einer ist der „Reiseleiter“. Früher hat er seinem Glauben schon einmal abgeschworen, im Gegensatz zu seiner Familie, die dann verbrannt wurde. Er hat dies aber bei Pater Rodrigues gebeichtet. Die vier Männer sollen abschwören, indem sie auf ein Jesusbild treten. Pater Rodrigues hatte es ihnen zuvor erlaubt. Und deshalb taten sie es auch. Aber das war dem Großinquisitor nicht genug. Nun sollten alle vier auch das Kreuz bespucken und die Mutter Gottes eine Hure nennen. Das konnten drei von ihnen nicht. Sie wurden bis zum Tod gequält und ihre Leichen wurden verbrannt. Der „Reisebegleiter“ aber bespuckte das Kreuz und wurde freigelassen. Weil die Situation für die beiden Missionare immer gefährlicher wurde, trennten sich beide und verließen das Dorf.

Von hier an wird das Schicksal von Sebastiao Rodrigues erzählt. Er weiß nicht so recht, wo er hin soll und trifft wieder auf den „Reiseführer“, den „Abgefallenen“. Erneut nimmt er ihm die Beichte ab, allerdings nicht mehr so verständnisvoll, wie noch beim ersten Mal. Der junge Jesuit ist frustriert. Immer drängender werden die Fragen für ihn, warum Gott das alles zulässt. Ob er noch auf dem richtigen Weg ist, oder ob er aufgeben soll. Schließlich wird der Missionar von dem „Abgefallenen“ für 300 Silberstücke verraten. Er gerät in die Hände des Großinquisitors. Der quält und foltert ihn aber nicht, was man vermuten könnte. Zumindest nicht körperlich. Der Jesuit soll abschwören. Er weigert sich aber vehement.

Daraufhin beginnt das perfide „Spiel“. Die Gewaltherrscher hätten dazugelernt, sagte der Großinquisitor bei einem der vielen Gespräche mit dem jungen Missionar. Sie quälen nicht mehr den Priester bis er abschwört, sondern die anderen Christen, die Bauern vor den Augen des Priesters. Pater Rodrigues sitzt in der Falle. Schwört er ab, verleugnet er seinen Glauben und kann wahrscheinlich nie mehr in den Spiegel schauen. Schwört er nicht ab, sterben Christen auf bestialische Art vor seinen Augen. Rodrigues war, so schien es mir, fest entschlossen nicht abzuschwören und dafür zur Not auch gequält und getötet zu werden. Aber, dass das Schicksal, das Überleben anderer, selbst derer die schon abgeschworen hatten, auch mehrmals, in seiner Hand lag, das quält den überzeugten Christen in ungeheurer Weise. Immer wieder kommt der „Reiseleiter“ zu ihm, um seine fehlende Standhaftigkeit zu beichten.

Ein weiteres Thema wird deutlich: Wie oft kann mir verziehen werden? Der Jesuit betet inständig. Aber es stellt sich nur eins ein – silence. Sebastiao wird fast verrückt an Gott. An seinem Schweigen. Er fühlt sich alleingelassen von Gott. Er fragt sich immer mehr, warum Gott nichts tut. Warum er nicht eingreift und nicht hilft. Und warum er ihn nicht hört oder ihm nicht antwortet. Schlagartig wird die „Entwicklung“ dieses Charakters deutlich. Zum Anfang sagt er der christlichen Gemeinde noch selbstverständlich, dass Gott sie hört. Doch jetzt zweifelt er selbst daran. Er zweifelt zuweilen auch an Gottes Existenz.

Die langsame Erzählung der Geschichte, die keinesfalls langwierig ist, obwohl der Film 2 ½ Stunden dauert, ermöglicht es, sich als Zuschauer in die Situation des jungen Missionars hineinzuversetzen. Man kann förmlich das Dilemma am eigenen Leib spüren und ist zu einer eigenen Meinung, einem eigenen Standpunkt herausgefordert. Mir kamen zumindest die Fragen, wie weit ich für meinen Glauben gehen würde? Würde ich Folter und Tod für meinen Glauben auf mich nehmen? Wie würde ich entscheiden, wenn ich mit einem „einfachen“ Tritt auf ein Jesusbild, einer „Formalie“, wie die japanischen Herrscher immer sagten, Menschen vor Qualen und dem Tod bewahren, aber danach vielleicht nicht mehr in den Spiegel gucken könnte und mich Zeit meines Lebens als Verräter fühlen würde?

Der Film behandelt schwere Themen. Er hat mich aufgewühlt und mich herausgefordert. Auch die Frage nach Gottes Schweigen, seinem Untätig-Sein ist aktuell. Lassen auch Sie sich herausfordern und schauen Sie sich diesen Film an! Beeilen Sie sich aber, denn er wird vermutlich nicht mehr lange in den Kinos zu sehen sein. Wir als Gruppe von vier Personen waren umindest die Einzigen, die den Film gestern Nacht angeschaut haben.  

Wie geht der Film zu Ende? Mit einigen stichpunktartigen Sätzen möchte ich kurz das Ende skizzieren, denn auch die Handlung im Film verläuft hier sehr schnell. Sollten Sie den Film noch sehen wollen, lesen Sie nicht weiter!   Pater Rodrigues trifft auf Pater Ferreira, der tatsächlich abgeschworen hat. Der junge Missionar beschimpft seinen Lehrer als Verräter. Ferreira aber überzeugt Rodrigues schließlich abzuschwören. Der junge Jesuit kann nicht mehr. Er hält die leiblichen Qualen der Christen, die ihm zu seelischen Qualen werden nicht mehr aus – und tritt drauf. Er bekommt den Nachlass eines verstorbenen Japaners. Neben dem Besitz auch den Namen und dessen Frau und Sohn. Er muss jährlich ein Dokument des Abschwörens unterzeichnen. Es wird berichtet, dass er nie wieder gebetet habe. Aber nach seinem Tod legt ihm seine Frau unbemerkt das von ihm geliebte kleine Holzkreuz in die Hände. So wird er nach dem buddhistischen Ritus bestattet.