Konfessionslos glücklich!

Ein Studientag darüber, wie Konfessionslose ticken und wie sie erreichbar sind

 

In Hannover (Tagungshaus St. Clemens) fand ein gut besuchter Studientag zum Thema Konfessionslos glücklich statt. Auch aus Göttingen waren einige Interessierte angereist. Hochkarätige Referenten versprachen einen spannenden Tag und lebendige Gespräche.

Das erste Referat hielt Prof. Eberhard Tiefensee – sein Bruder war mal deutscher Verkehrsminister -  über eine von ihm so genannte Ökumene der dritten Art. Gemeint ist nach der Ökumene der ersten Art (kath.- ev.) und der zweiten Art (interreligiöser Dialog) nun das Gespräch mit den Konfessionslosen, Areligiösen, Nichtreligiösen – allein die unterschiedlichen Bezeichnungen deuten schon die Schwierigkeit an die inhomogene Gruppe begrifflich zu fassen. Um John Latein beizubringen  reicht es nicht aus Latein zu können, Du musst auch John kennen – so lautete ein Satz, der das pastorale Problem anzeigte. Wer ist John (bzw. der agnostisch-religionslose, religiös-unmusikalische Zeitgenosse)?

Nach der Wende dachten einige, dass jetzt in der Ex-DDR ein weltanschauliches Vakuum entsteht, das die Kirchen und Sekten auffüllen würden. Pustekuchen! Der „Ossi“ ist seit Generationen religiös unbeleckt, er vermisst nichts, hat seine eigenen Feiern und auch die Krebsdiagnose bringt in weder ins religiöse Grübeln noch gar in die Kirche. Im Anschluss an das berühmte Buch von Charles Taylor (Ein säkulares Zeitalter) versuchte er die atheistisch-agnostische „Denke“ zu beschreiben: Woran glaubt wer nicht glaubt?

Prof. Tiefensee gibt am Ende seines Statements einige Ratschläge: Demnach gilt es – wie die französischen Bischöfe einst vorschlugen (proposer la foi) den Glauben vorzuschlagen. Man müsse sich endlich jede Nostalgie, jedes Schwärmen in den früheren vermeintlich guten Zeiten verbieten. Man muss bei den konfessionslosen Menschen mit Ängsten rechnen, die am besten im direkten Gespräch abgebaut werden können, die besser nicht in kirchlichen Räumen sondern auf „neutralem Boden“ stattfinden sollten.

Herrn Tiefensee schloss sich Dr. Wolfgang Beck an (bekannt vom Wort zum Sonntag) und designierter Professor für Pastoraltheologie an der Jesuitenhochschule in Frankfurt Sankt Georgen. Er sieht die Fronten (Theisten – Atheisten) weniger deutlich ausgeprägt als viele meinen. Viele die „drin“ sind zweifeln und viele die „draußen“ sind sind zumindest religiös auf der Suche. Mit Blick auf die Austrittszahlen meinte Dr. Beck, dass diese ironischer Weise zu klein sind um die Kirchen wirklich zu beunruhigen. Auch gibt es niemanden, der von den Austritten profitiert: weder andere Religionen, weder Sekten und auch nicht humanistische Vereinigungen oder der Bund der Konfessionslosen. Die mittlerweile zum Bonmot gewordene Antwort eines jugendlichen auf die Frage, ob er eher christlich oder atheistisch sei lautete: "Weder noch, normal halt!"

Das dritte Referat kam vom Professor für Religionspädagogik der Uni Wittenberg-Halle, Michael Domsgen. Er diagnostizierte, dass der massive und doch schleichende Zuwachs der Konfessionslosen vergleichsweise wenig wahrgnommen und gewürdigt wird – etwa wenn man dies mit der vergleichsweise minmalen Zunahme von Muslimen in Deutschland vergleicht. Selbst kleinste Zahlen lösen hier PEGIDA - Demonstrationen aus! Warum berührt der Zuwachs der Konfessionslosen so wenig? Auch Prof. Domsgens Bemerkungen gingen in die Richtung, das Problem nicht zu versimplifizieren. Zum einen wachsen die religiösen Bäume im Osten zwar nicht in den Himmel, aber man darf auch die hoffnungsvollen Anfänge nicht gering schätzen. Wenn Religion nur die Funktion einer „Kontingenzeröffnungspraxis“ wahrnehme ist das nicht nichts, ist schon vieles gewonnen, auch wen die berühmte Kontingenbewältigung damit noch nicht erreicht ist. Auch im Osten ist Religion zumindest eine „soziale Tatsache“ und damit Bildungsgut und -chance, wenngleich man nicht erwarten kann, dass nach jedem Schulbesuch in einer Kirche gleich die Taufzahlen steigen.

Es schloss sich eine kurze Diskussion an, in der sie Referenten eine weitgehend ähnliche Einschätzung offenbarten. Trend: Keine voreiligen Schlüsse! Auf langfristige Arbeit setzen! Keine hohen Erwartungen – die Bäume wachsen nicht in den Himmel!

Nach der Mittagspause begannen dann die Workshops, in denen die Teilnehmer sich artikulieren konnten. Besonderen Zulauf hatte P. Hermann Kügler SJ aus Leipzig, der die Arbeit der dortigen Orientierung und seine Erfahrungen mit und in einer weitgehend religiös-unmusikalischen Stadt vor- und zur Diskussion stellte. Prof. Tiefensee griff noch einmal die von ihm proklamierte Ökumene der dritten Art auf. Er nannte Beispiele, wo versucht wird der realen Situation im Osten (und demnächst auch im Westen???) Rechnung zu tragen. So hat sich eine Feier zur Lebenswende in vielen Orten etabliert. Man möchte ein niedrigschwelliges Angebot an Jugendliche machen, für die Konfirmation / Firmung zu religiös sind und eine Jugendweihe ebenfalls zu abwegig. Im Erfurter Dom gibt es seit einigen Jahren ein „Weihnachtslob für Ungetaufte“. Wie auch in Göttingen findet die „Gedenkfeier für Verstorbene“ der Anatomie (hier: Körperspendergottesdienst) guten Zuspruch... Es mangelt nicht an Ideen und Initiativen! Vieles erinnert an Veranstaltungsformate der Citypastoral. Dabei handelt es sich aber allesamt nicht um Strategien der Rückeroberung sondern um zaghafte Schritte in Richtung Neuland. In vielen Regionen Europas haben wir wieder "korinthische Verhältnisse": Zur Zeit des Apostels Paulus dürfte es dort bei ca. 40 000 Einwohner etwa 200 Christen gegeben haben. Und die pastoralen Erfolge des Völkerapostels in Athen oder Rom waren ebenfalls überschaubar. Auch die Athener dürften "konfessionslos glücklich" gewesen sein, hatten ihr prächtigen Tempel als Kulturgüter und coole Kulte für den Eventsüchtigen. Und trotzdem hat sich das Christentum damals durchgesetzt. Warum? Warum nicht auch heute? Es gibt viel zu tun...

Eine subjektive Einschätzung von P. Manfred Hösl SJ