(M)ein Jahr in Chile

Richard Gräve berichtet an einem spannenden Abend über sein Jahr bei Sr Karoline Mayer

 

 

 

Dienstagabend besuchten gut 50 Gäste den sehr unterhaltsamen und informativen Vortrag von Richard Gräve, Viele von uns kennen den 19-Jährigen aus unserer Gemeinde, der die Gruppe der Montagsmaler mitgründete und Messdiener ist. Richard war nach seinem Abitur vom August 2015 bis August dieses Jahres bei Schwester Karoline Mayer in Santiago de Chile.

Sein Freiwilligendienst bei der Fundación Christo Vive wurde über das „Westwärts“- Programm, dem Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, organisiert und finanziell mit ca. 7500€ (75%) unterstützt. Diese Unterstützung erhalten 3500 Jugendliche pro Jahr, wobei die Länder der Einsatzorte unterstützungswürdig sein müssen. Chile fällt leider in naher Zukunft aus dem Unterstützungspool heraus, da genug Geld vorhanden ist, um die Armut einzudämmen. Es ist sehr ungerecht verteilt.

Die Fundación Christo Vive übernahm 2500€ für Richards Aufenthalt. Sie wurde 1990 in Chile von Schwester Karoline Mayer gegründet, später folgten Gründungen in Bolivien und Peru. Die Fundación betreibt in Santiago Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, drei Berufsschulen, drei Kindergärten und eine Behinderteneinrichtung. Ca. 30000 Menschen nutzen jährlich die Angebote und werden von 450 Festangestellten, sowie 80 Freiwilligen betreut. Christo Vive Europa e.V. gibt es seit 2002 und hat 600 Mitglieder.

Über Chile erfuhren wir, dass es 18 Millionen Einwohner hat, aber doppelt so groß wie Deutschland ist. 5,1 Millionen Menschen leben allein in Santiago. Es ist seit 1818 unabhängig, bezahlt wird mit chilenischen Pesos (750 CLP = 1€). Richard erinnert an die Militärdiktatur Pinochets von 1973 – 1990, die durch einen Militärputsch am 11.9.90 gestürzt wurde. Seitdem leben die Chilenen in einer Demokratie. Ca. 55% sind katholisch, 13% evangelisch, wobei die Freikirchen einen starken Zulauf aufweisen.

Richard arbeitete in einem Kindergarten, dem Jardin Infantil Tierra de Niños. 125 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren, eingeteilt in fünf Gruppen, wurden von etwa 20 Tias (Angestellten) inklusive Reinigungspersonal betreut. Der Kindergarten existiert seit 2000, es gibt keine Wartelisten, da es genug Kindergartenplätze gibt. Obwohl die Betreuung kostenlos ist, muss bei den Eltern Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit sie die Kinder in einen Kindergarten schicken.

Sein Arbeitsvertrag beinhaltete eine 42,5 Stundenwoche, die Arbeitszeiten gingen von 8.30h bis 17.30h, der Urlaubsanspruch belief sich auf 24 Tage. Er bekam eine Entschädigung von 160€ und glücklicherweise das Kindergeld. Seine offizielle Beschäftigung sollte laut Arbeitsvertrag die Mitbetreuung der Kinder in einer 28-köpfigen Gruppe, gemeinsam mit zwei Tias, sein. Inoffiziell war er, - der einzige Mann -, häufig Hausmeister und Postbote.

Richard machte seine Arbeit offensichtlich Spaß. Wir konnten durch die gezeigten Videos und Fotos, die mit Hilfe eines Beamers an die Wand projiziert wurden, viele bunte Eindrücke gewinnen und auch seine Kreativität z.B. beim Bemalen der Badezimmerwände oder den selbstgebastelten, bunten Adventskränzen bewundern. Weihnachten im Hochsommer ist schon ganz anders als zuhause…

Besonders beeindruckte ihn die starke Tagesstruktur des pädagogischen Konzepts, die vorsah, alle 30 Minuten die Kinder mit etwas Neuem zu beschäftigen. Für eine Stunde am Tag wechselten alle Kinder zusätzlich die Gruppen. Ein längeres Erarbeiten eines Themas, beispielsweise eines kleinen Musikstückes, war daher nur schwer möglich.

Zuhause teilte sich Richard mit vier jungen Frauen, die auch einen Freiwilligendienst absolvierten, ein kleines Haus mit Küche, Bad und Gasofen. Sein kleines Zimmer war ein Durchgangszimmer. Humorvoll beschrieb er, wie er Ordnung gelernt hätte, damit niemand nachts über seine Sachen fiele, wenn er zur Toilette müsse. Leider sei diese Wohngemeinschaft eher eine Zweck - WG gewesen, aber er hatte viele andere Kontakte, trainierte im Volleyballverein, machte Fahrradtouren und legte ein Gewächshaus an, in dem dann auch riesige Wassermelonen wuchsen.

Eines war Richards Jahr in jedem Fall: abenteurerreich! Wir sahen Bilder von ihm in einer Naturwasserrutsche, bei Bergwanderungen bis zu 3400m Höhe, auf einer Hochzeit, 90 km mit dem Rad durch die Anden strampeln, einen Wohnungsbrand überwinden und auf Urlaubsreise mit Vater und Freunden, 4500km in 14 Tagen und im Zelt campen und nicht zuletzt schneewandern und schneezelten mit seinem Freund Julius. Die Aufzählung ist beileibe nicht vollständig!

Auch Musik machte Richard. Ein professionelles Musikvideo ist entstanden, das jetzt quasi die Hymne von Christo Vive ist. Schwester Karoline war begeistert. „Ein Hoch auf uns“ auf Spanisch mit allen Freiwilligen kann man auch auf YouTube hören und sehen.

Eine dreiwöchige Urlaubsreise mit beiden Eltern und Freunden führte ihn in den Norden Lateinamerikas.
Im Abschlussseminar, dem ein Zwischenseminar vorausgegangen war, konnte Richard seinen Aufenthalt reflektieren. Die neuen Freiwilligen wurden noch von ihm eingeführt.

Wir Zuhörer erlebten spannende zweieinhalb Stunden, die durch eine kurze Pause unterbrochen waren. Sie lud dazu ein, viele bunte Decken, eine Ukulele und andere Mitbringsel zu bestaunen. Getränke waren auch bereit gestellt. Danke, Richard, für diesen runden Abend! Und alles erdenklich Gute für Deinen nächsten Lebensabschnitt, dem Medizinstudium in Halle.

Hier kann man weitere Informationen, sowie die Möglichkeit zur Spende finden.


Ila Scholz (Text)

Peter Krause (Fotos)