Ökumene heißt nicht „wesentlich mehr!“ sondern „mehr Wesentliches!“

Pfingstgottesdienst der ACK - Prälat Heinz Voges hält eine furiose Predigt

Der Pfingstmontag ist in Göttingen traditionell stark ökumenisch besetzt. In St. Johannis fand am 2. Feiertag ein große Gottesdienst statt – die größte Göttinger Kirche war einschließlich der oberen Emporenplätze vollbesetzt! Fast alle Pastoren aus den Kirchen waren gekommen. Die Predigt hielt Prälat und Altdechant Heinz Voges.

Mit Orgelmusik von Maurice Duruflé (1902-1986) begann der Gottesdienst. Für die Musik sorgte die Göttinger Stadtkantorei unter der Leitung von Konstantin Schubert und Bernd Eberhardt, sowie Brigitte Gabriel (Violine). Gespielt wurden im Verlauf des Gottesdienstes noch Stücke von Ingo Bredenbach und Felix Mendelssohn Bartholdy.

Superintendent Friedrich Selter begrüßte dann die Gäste und Mitwirkenden aus den verschiedenen Kirchen der Göttinger ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen). Die waren Pastor Michael Ebener (Reformierte Gemeinde), Pastor Michael Hüstebeck (Selbstständig Ev.-Luth. Gemeinde / SELK) Dr. Sven Mönkemeyer (Neuapostolische Kirche) sowie Esther Gulde (Heilsarmee). Pfarrer Dieter Kreibaum von den Baptisten musste sich aus Krankheitsgründen entschuldigen. Von katholischer Seite waren dabei Ulrike Saul, Dechant Wigbert Schwarze sowie der Prediger Prälat Heinz Voges, früher Pfarrer und Dechant in St. Heinrich und Kunigunde. Alle kirchlichen Repäsentanten kamen im Gottesdienst vor, sei es als Lektor oder bei einer Fürbitte.

Natürlich wurde auch kräftig gesungen und gebetet. Die Kollekte war zu gleichen Teilen für die Arbeit der ACK in Göttingen und dem Wohn- und Übernachtungsheim der Heilsarmee bestimmt.

Die Predigt des Göttinger Altdechanten war – wie nicht anders zu erwarten – ein wahres Feuerwerk und passte so wie angegossen zum Pfingsttext aus Apostelgeschichte 2. Heinz Voges hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Ökumene. Alle Kirchen sind aufgerufen mehr das Verbindende und nicht so sehr das Trennende zu sehen.

So hat der ev.-luth. Bischof von Österreich Michael Bünker angeregt nicht das Reformationsdatum, sondern Pfingsten zu feiern. An Pfingsten sind alle christlichen Kirchen entstanden. Die katholische Kirche sei deswegen nicht älter und die evangelischen Kirchen nicht jünger. An Pfingsten sprach Petrus kein "christliches Esperanto" und schon gar nicht Latein, sondern verkündete die eine Wahrheit in verschiedenen Sprachen. Einmal mehr warb Voges für Einheit in der Vielfalt (nicht: Einfalt)! Soviel Einheit wie nötig, soviel Buntheit wie möglich.

Heutzutage muten damals selbstverständliche konfessionalistische Praktiken schon skurril an, etwa wenn man früher auf Friedhöfen katholische und evangelische Gießkannen finden konnte. Es ist in der Ökumene viel erreicht worden, so Heinz Voges. Reicht es etwa schon? Sollten wir uns gar zurücklehnen und in eine Behaglichkeitsökumene abtauchen? Ansätze dazu kann man leider schon wahrnehmen. 4/5 der Menschen unseres Landes scheint die Ökumene egal zu sein. Das liegt wohl auch daran, dass der religiöse Grundwasserspiegel enorm gefallen ist: Golgota ist eben keine Zahncreme und Jesus wurde auch nicht auf einer solchen gekreuzigt, so der Pfarrer „in Rufweite“, der hier und mit vielen Wortspielen die Kirchenbesucher zum Schmunzeln und am Ende – in einer evangelischen Kirche! – gar zum Klatschen brachte.

Der große Albert Schweizer, Arzt und Theologe, hat schon zu seiner Zeit eine „Schlafkrankheit der Seele“ diagnostiziert. Das tückische an ihr: Man sieht sie nicht kommen! Man nickt ein und merkt es nicht! Dabei ist die Nagelprobe für den Glauben bekanntlich nicht das Wort zum Sonntag, sondern die Tat am Montag, d.h. die Alltagstauglichkeit.

Eher kritisch äußerte sich der Altdechant zu einer Konsenspapierökumene. „Was bringt einen störrischen Esel dazu zu trinken?“ Mit Gewalt kann man da nichts ausichten. Am besten ist, ihm einen anderen, durstigen Esel zur Seite zu stellen. Das Trinken des einen macht auch den anderen durstig! – Dies war nicht das letzte Beispiel aus Flora und Fauna, mit dem Prälat Voges die Gläubigen im Kirchenschiff erreichte.

Dann sang der Prediger ein hohes Lied auf das Gewissen. Es geht – auch in Göttingen - nicht nur um Wissenschaft, sondern um ein geschärftes Gewissen und um Gewissheit. Diese ist nur im Glauben zu haben. Christen in Deutschland teilen zwar mit 80 Mio die deutsche Staatsbürgerschaft, aber mit zwei Milliarden den selben Glauben, dessen Eingangstor die eine Taufe ist. Zu lange haben sich die Christen der verschiedenen Konfessionen an "getrennten Tischen abspeisen lassen" – es gilt hier einen Schritt nach vorne zu wagen! Er zitierte einen bereits verstorbenen Pfarrer, der sagte: "Lieber will ich ein Gesetz der Kirche brechen als das Herz eines Menschen." Der Weg müsse vom Anerkennen zum Kennenlernen hin zum Kennen gehen.

Prälat Voges mahnte auch die evangelischen Christen (endlich) ihre Stereotypen zu vergessen: Natürlich beten auch Katholiken nicht zu Heiligen! Er, Voges, sieht in Ihnen vielmehr „Nobelpreisträger für christliches Leben“, ein in Göttingen wohl besonders verständlicher Vergleich.

Heinz Voges bot ein regelrechtes Feuerwerk an Anspielungen, Wortspielen und Zitaten aus verschiedensten Kirchen, Traditionen und Philosophien. Eigentlich müsste man alles noch einmal gründlich nachlesen. Aber vielleicht kann man sein Grundanliegen zusammenfassen in einem Wort am Schluss seiner Predigt: Ökumene muss nicht heißen „wesentlich mehr!“, sondern besser: "Mehr Wesentliches!"