ProChrist 2013 - Wie war's? - Eine erste Bilanz von der Satellitenevangelisation

In Göttingen beteiligten sich "Ecclesia", die "FeG" und "Maria Frieden" am Projekt

Am Sonntagabend ging die achttägige Satellitenevangelisation ProChrist aus Stuttgart zu Ende. An ihr hatten sich über 800 Übertragungsorte aus Deutschland und dem europäischen Ausland beteiligt. In Göttingen waren mit dabei: Die charismatische Freikirche Ecclesia in Weende, die Freie evangelische Gemeinde aus Geismar und die katholische Gemeinde Maria Königin des Friedens, ebenfalls aus dem Göttinger Süden.

Unsere Nachbarn aus Maria Frieden sind seit vielen Jahren bei ProChrist mit dabei. Wieder liefen die Fäden bei Wolfgang Ott, dem langjährigen PGR-Vorsitzenden zusammen. Als eine der wenigen katholischen Gemeinden ist MKF ein Unikum in der ProChristlandschaft, was auch durch einen kleinen TV-Beitrag am Mittwochabend im Vorprogramm der Übertragung zum Ausdruck kam. Dort erzählte Wolfgang Ott über ProChrist in Geismar. Zwischen 70 und 110 ZuhörerInnen fanden sich pro Tag in MKF ein. In der FeG gab es ähnliche Zahlen, in Weende bei Ecclesia waren es wohl etwas mehr.

Der Abend lief in allen drei Gemeinden ähnlich ab: Um 19:30 Uhr startete ein lokales Vorprogramm. Das konnte ein musikalischer Beitrag oder ein kleiner Theatersketch sein, der auf das Thema einstimmte. Um 19:45 Uhr begann dann die Übertragung aus der Stuttgarter Porschearena. Dort leitete der Liedermacher und langjährige Leiter des ERF Jürgen Werth durch das Programm. Es gab Interviews und Glaubenszeugnisse von Prominenten und weniger Prominenten, die den Glauben an Jesus Christus für sich entdeckt hatten. Gegen 20:15 Uhr hielt dann Ulrich Parzany (am Sonntag und Montag sprang für ihn krankheitsbedingt und kurzfristig Pfarrer Steffen Kern ein) eine Predigt, die wichtige Themen wie Partnerschaft oder Werte aufgriff und dann den Bogen zu Christus schlug. Am Ende lud Pfarrer Parzany dann die Gäste Stuttgart und an den Übertragungsorten ein nach vorne zum "Treffpunkt Kreuz" zu kommen, um dort ein Gebet zu sprechen. Ein kurzer Segen beendete dann die Übertragung und die lokalen Moderatoren übernahmen wieder die Leitung vor Ort. Es gab Hinweise zu Folgeveranstaltungen, wie etwa einem Glaubenskurs und eine Einladung bei ein paar Snacks das Gehörte mit anderen auszutauschen.

Die Veranstaltung nahm im Lauf der Woche immer mehr an Fahrt auf, was man auch am wachsenden Zuschauerzuspruch ablesen konnte. Während in Maria Frieden eindeutig die älteren Semester in der Überzahl waren, war es bei Ecclesia und der FeG umgekehrt: hier dominierten klar die Jüngeren. Erstaunlich war, dass der neuralgische Punkt, das Gebet am Schluss mit dem Aufruf nach vorne zu kommen, in Maria Frieden auf die größte Resonanz stieß. Hier waren die an Ansteckern erkennbaren MitarbeiterInnen bei den beiden evangelischen Gemeinden an manchen Abenden sogar nur unter sich.

Natürlich ist es bei solchen Veranstaltungen immer so, dass die Mehrheit der Gäste bereits aktive Christen sind. Aber auch der eine oder die andere Neue war dabei. Die Evangelisation geht immer in zwei Richtungen: Es ist ein Angebot und eine Einladung an Interessierte den christlichen Glauben kennenzulernen. Und es ist eine Stärkung der schon Engagierten.

Besonders in Geismar meldeten die beiden Veranstalter gegenüber dem letzten ProChrist etwas zurückgehende Zahlen, womit diese im Rahmen der Veranstaltung generell liegen. Vielleicht ist hier Reformbedarf und muss am Konzept gearbeitet werden. In gewisser Weise ist dies sowieso angedacht, da Pfarrer Parzany anscheinend zum letzten Mal als Hauptprediger zur Verfügung stand. Insofern war sein krankheitsbedingter Ausfall an den ersten beiden Tagen eine Fügung, so dass einer der designierten Nachfolgeprediger, Steffen Kern von den "Apis" (Altpietisten, einem Gemeinschaftsverband in der Evangelischen Kirche) bereits dieses Mal zum Zuge kam. Freilich sind die Fußstapfen, die Ulrich Parzany hinterlässt sehr groß und es wird sich zeigen, ob seine Nachfolger ähnlich zugkräftig predigen werden.

Parzany mied in seinen Ansprachen weitgehend kontroverse oder konfessionsspezifische Themen. Die Mitte des Glaubens, Jesus Christus, sollte herausgestellt werden. Es handelt sich um keine Gegenveranstaltung, sondern eine Für-Veranstaltung, eben Pro-Christus! Erst wenn diese Mitte erkennbar ist, haben sekundäre Schattierungen wie evangelisch - katholisch, charismatisch oder evangelikal, Kinder- oder Erwachsenentaufe u.a. ihren gebührenden Stellenwert.

Dennoch zeigte sich an so mancher kritischer Pressemeldung, dass der Gegenwind für Christen stärker wird. Sobald Christen in die Öffentlichkeit treten gibt zunehmend Widerspruch und Proteste. Davon war allerdings an den drei Göttinger Standorten nichts zu spüren. Freilich könnte das auch an der nur schwachen Medienresonanz in den örtlichen Medien gelegen haben. Und dies, obwohl zumindest die katholischen Pfarrer einmütig hinter dem Projekt standen und auch die Abende in MKF moderierten. Die landeskirchlichen evangelischen Gemeinden scheinen sich nicht an ProChrist beteiligen zu wollen.

Auffällig ist - zumindest mit Blick auf Ecclesia und die FeG, dass es die größten und altersdurchschnittlich jüngsten Gemeinden sind, die sich an ProChrist beteiligen. Offenbar scheinen nur die Gemeinden in Göttingen jüngere Leute anzusprechen, die sich missionarisch verstehen. Die Moderationen und Sketche im lokalen Vorprogramm waren spritzig und technisch topp, vielleicht für traditionelle Kirchenbesucher sogar etwas frech. Freilich scheint der Zuspruch durch die jüngere Generation den Betreibern Recht zu geben christliche Verkündigung modern "upzudaten". Hier stellt sich besonders für katholische Gemeinden die Frage, ob es sinnvoll ist auf diesen Zug aufzuspringen. Denn mittels Liturgie und Ritus gibt es hier Möglichkeiten, die den evangelischen Christen nicht offen stehen. Aber auch die katholische Kirche muss sich neuen Formen dezent öffnen, will man nicht in einem nichtssagendem Traditionalismus enden.

Besonders für traditionelle Christen katholischer und evangelischer Prägung ist ProChrist gewöhnungsbedürftig. Die Leinwand ist und bleibt trotz aller praktischer Vorteile ein garstiger Graben, spätestens dann, wenn man sich fragt, ob man nun klatschen soll oder nicht. Kann man einen Künstler auf einer Leinwand Applaus geben? Oder kann man ein Gebet, das ein Mensch auf einer Leinwand betet, mitbeten? Freilich stellt sich diese Frage auch beim traditionellen Urbi-et-Orbi-Segen des Papstes, wo wir als Kinder still sein mussten und uns selbstverständlich bekreuzigten... 

Das Unbehagen am Genus "Satellitenübertragung" dürfte aber auch an der Unbeholfenheit in Sachen Mission überhaupt liegen. In den vergangenen Jahrhunderten mussten die etablierten Kirchen ja gar nicht missionieren, weil die Leute sowieso kamen. Anders die Freikirchen: Sie mussten schon immer auf andere zugehen und sich Wege zu den Herzen der Menschen überlegen. Diese Erfahrung scheint den jungen Kirchen jetzt zugute zu kommen, während die Hauptkirchen immer noch aus Angst mit Sekten und Hausierern in einen Topf geworfen zu werden, nicht auf die Hufe kommen. Freilich werden die Kirchen aller Art in Zukunft nicht umhinkommen sich pastorale Methoden zu überlegen, wie die Glaubensweitergabe gelingen könnte. ProChrist bleibt dabei eine, aber nicht die einzige Möglichkeit.

P. Manfred Hösl SJ