ProChrist in Geismar

Eindrücke einer Veranstaltungswoche

Seit Sonntagabend gibt es wieder ProChrist. Dabei handelt es sich um eine Evangelisation. Früher nannte man dies in katholischen Kreisen Volks- oder Gemeindemission. In der Stuttgarter Porschearena findet die Hauptveranstaltung statt, die dann - via Satellitenübertragung - in mehr als 800 Orte im ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus übertragen wird.

Der bei diesem Projekt leitende Gedanke: Die meisten Gemeinden, seien sie evangelisch, freikirchlich oder katholisch, haben nur durchschnittliche Chöre, durchschnittliche Prediger, durchschnittliche Räume, usw. Gleichzeitig sind die meisten Menschen durch Wetten dass?, Konzerte oder Revues in Stadthallen oder TV ein Veranstaltungsniveau gewöhnt, dass sich immer mehr von kirchlicher Realität entfernt, der Spagat wird immer größer. Immer mehr Menschen waren noch nie oder nur selten in einem Gottesdienst, kennen keine Gebete oder Kirchenlieder mehr, haben keinen Schimmer von der Bibel. ProChrist will diese Menschen wertschätzen und abholen wo sie sind. Deshalb erinnert das Setting in Stuttgart eher an Wetten dass? oder sonstige Shows als an einen Gottesdienst am Sonntagvormittag. Bewusst wird auf typisch Christliches wie Figuren, Statuen, Bibelsprüche oder gar Weihrauch verzichtet, um den postmodernen Zeitgenossen zu erreichen. Der praktizierende Christ mag denken: "Das ist doch bloß eine Show!" Er mag den Ausverkauf der letzten christlichen Werte konstatieren - aber was ist sein Beitrag gegen das Sinken des religiösen Grundwasserspiegels? Offensichtlich scheint sich derzeit kein Königsweg in Sachen Glaubensweitergabe abzuzeichnen. In vielen Familien stockt sie schon seit ein, zwei Generationen. Nicht überall gibt es Glaubenskurse und die Infos aus den Medien orientieren sich auch eher an den Quoten. Aber zugegeben: Der Grat zwischen Anpassung und Anbiederung an die Moderne ist schmal... Und wohl auch Ermessenssache.

Egal wie man dazu steht: Die Gemeinde Maria Frieden in Geismar veranstaltet seit vielen Jahren ProChrist, übrigens als eine der wenigen katholischen Gemeinden. Die Idee übernahm man aus St. Albani, wo vor vielen Jahren Pastor Nehls ProChrist angeboten hatte. Damals sagte die Katholiken Geismars: "Das können wir auch!" Und seitdem gibt es ca. alle 3 Jahre ProChrist auch in Maria Frieden.

Seit Sonntagabend ist es wieder soweit. Wolfgang Ott, langjähriges PGR-Vorsitzender hat wieder ein Team zusammengetrommelt, das ProChrist möglich macht. Das fängt schon bei der Übertragungstechnik an, für die Klaus Timmermann sorgt. Alle katholischen Pfarrer von Göttingen sind als Moderatoren an einem der Abende eingespannt. Nach der Übertragung sollen die Leute nicht sofort nach Hause geschickt werden, sondern noch ein wenig klönen, das Gesehene Revue passieren lassen, Eindrücke austauschen.

Jeder Abend läuft prinzipiell gleich ab: Um 19:30 Uhr begrüsst ein Moderator in der Kirche die gekommenen Gäste. Ein bisschen Smalltalk, meist zum Thema. Auch die leidige Geldfrage muss angesprochen werden, denn es gibt auch Unkosten - und deshalb braucht's eine Kollekte. Um 19:42 Uhr gehen die Körbchen rum. Um 19:45 Uhr beginnt dann die Übertragung aus Stuttgart. Es ist ein bisschen so wie im Kino: vorne ist eine Leinwand. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber eben aus der Not geboren. Für die Geismarer Katholiken allerdings ist das nichts Neues mehr. Jetzt startet das Vorprogramm in Stuttgart: Interviews von Prominenten oder Leitern von Projekten, musikalische Beiträge von Klassik bis Pop. Eingebaut sind kurze Videoberichte von Übertragungsorten - auch Geismar wird am mittwochabend eingeblendet! Durch das Programm führt Jürgen Werth, ein bekannter Liedermacher und Leiter des ERF (Evangeliumsrundfunks, der übrigens jeden Abend ProChrist im TV überträgt). Gegen 20:10 beginnt dann die Predigt, die Pfarrer Ulrich Parzany hält. Am Sonntag und Montag fiel der allerdings wegen Kreislaufkollaps aus und musste ins Krankenhaus. Da sprang ein anderer Pfarrer, Steffen Kern, spontan für ihn ein - jetzt ist Parzany wieder fit und kann wieder predigen. Und das tut er ziemlich anschaulich und lebendig. Er sprüht richtig und die Wort sprudeln nur so aus ihm raus. Jede Predigt endet in einem Aufruf nach vorne zu einem Kreuz zu kommen. In Stuttgart ist dies ein Lichtkreuz, in Geismar ist es ein Holzkreuz. Dort versammeln sich jeden Abend 30 bis 40 BeterInnen. Manche kommen jeden Abend, manche zum ersten Mal. Parzany betet ein einfaches Gebet vor, dass die Menschen in Stuttgart und an den Übertragungsorten einfach nachsprechen. Es gibt einen Segen - fertig. Ein Moderator beendet den Abend in Stuttgart und in Maria Frieden geschieht dies ebenfalls. Jetzt gehen die Leute noch in der Gemeindesaal zum Austausch.

Die ProChrist-Profis von Geismar sagen, dass früher mehr Menschen gekommen seien. Aber da darf man sich nicht entmutigen lassen. Auch in der Stuttgarter Porschearena kann man freie Plätze sehen. Selbst im pietistischen Ländle scheint also die Säkularisation Einzug zu halten. Außerdem gilt zu bedenken, dass es bei diesem ProChrist zum ersten Mal die Möglichkeit gibt die Veranstaltung zuhause vor dem Fernseher anzuschauen. Freilich ist "Public Viewing" viel interessanter.

Wichtig sind aber nicht die, die nicht kommen, sondern die, die kommen. Jeder und jede ist ein von Gott geschaffener Mensch, so die Überzeugung von ProChrist. Ihm gilt die Zuwendung Gottes und der MacherInnen von ProChrist, sei es in Stuttgart oder Geismar oder einem der vielen anderen Veranstaltungsorte.

P. Manfred Hösl SJ