Reise ins Licht

Der Glaubenskurs 2012 im Kloster Herstelle

 

 

Ja, ich spreche hier von einer Reise. Denn dieses Wort

bedeutet mehr als die wenigen Kilometer, die man bis zum Kloster, gleich hinter

der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, zurücklegen muss. Es ist mehr als ein kurzer

Besuch. Man muss ankommen und zur Ruhe kommen, um sich auf einen neuen Lebensrhythmus

einzulassen. Dann nur kann man etwas mitnehmen und auch etwas hinter sich

lassen.


Von den sechs Teilnehmern am diesjährigen Glaubenskurses „Katholisch werden“

haben vier an der Fahrt teilgenommen, begleitet von P. Theobald Schneider, Jörg

Bank und Olaf Martin. Wir fuhren mit dem VW-Bus der Gemeinde am späten Freitagnachmittag

los und sind, nach einem besinnlichen Zwischenstopp im Kloster Bursfelde,  um 18 Uhr in Herstelle am Kloster angekommen.

Dies hat gut gepasst, da die Schwestern sich gerade zum Abendgebet, der Vesper,

versammelten. „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“, heißt es in der

Regel des hl. Benedikt. So waren wir im ersten Moment noch in Eile, um pünktlich

in die Kapelle zu gelangen, im anderen schon gebannt vom Klang des

wunderschönen Gesanges der Benediktinerinnen. Wo man sonst im Wechselgesang in

die Antwortverse einstimmt, schweigt man lieber – einerseits  ergriffen von der Anmut mit der die Schwestern

die hohen Töne treffen und halten, andererseits besorgt durch den schweren Bass

der eigenen Stimme zu walten wie die Axt im Walde.


Noch ganz im Bann des eben Gehörten wurden wir im Anschluss von einer Schwester

in Empfang genommen, herzlich begrüßt und zum Abendbrot eingeladen. Erst nach dem

kurzen Fastenschmaus hatten wir Gelegenheit unsere – im herkömmlichen und im

geistigen Sinne – komfortablen „Klosterzellen“ zu beziehen. Jedes Gästezimmer

in Herstelle ist dem Schutz eines Heiligen unterstellt, eine natürlich auch „unserem“

St. Michael. Damit man sich seinem Zellen-Heiligen nah fühlen kann, liegt in jedem

Zimmer eine Mappe mit wichtigen Informationen über das Kloster und über den

jeweils waltenden Schutzpatron. Auf dass wir uns nicht im bequemen Lesesessel

in der außerdem ausliegenden Benediktsregel oder der heiligen Schrift verlören,

trafen wir uns bereits nach kurzer Zeit zur Besprechung und Organisation der nächsten

beiden Tage wieder. Dabei wurde dem Einzelnen genug Freiraum gewährt, um nach

eigenem Empfinden das Chorgebet der Schwestern zu begleiten.


Wir wussten die Zeit der nächsten zwei Tage gut zu nutzen, vor allem in Gruppen

Themen aus unserem Glaubenskurs neu zu beleuchten und zu befragen. Für alle

Teilnehmer hieß das, sich über die eigene (Glaubens)Reise klarer zu werden. Bis

in die Mitternachtsstunden wurde mit dem Thema „Tod und Auferstehung“ gerungen

sowie dem Problemfeld „Sünde und Beichte“ neue Dimensionen abgewonnen. Außerdem

hat uns Schwester Lucia über weite Strecken begleitet. Sie stellte sich uns zur

Seite, um von ihrem Leben in der Klostergemeinschaft zu erzählen und uns in die

Geheimnisse der benediktinischen Schriftmeditation zu einzuweihen. Nicht

umsonst lautet das berühmte Motto der Benediktiner „ora et labora“ vollständig

„ora et labora et lege“: bete und arbeite und lese.

 


Während uns am Samstag dank St. Petrus bei gutem Wetter Zeit blieb, gleichsam Gott

mit uns in die Welt hinauszutragen, trauerte am Sonntag der verregnete Himmel als

Spiegelbild unserer Seelen dem unvermeidlichen Lebewohl entgegen. Obwohl wir uns

innerlich erfüllt, vielleicht schon nicht mehr ganz aufnahmefähig, also durchaus

glücklich und etwas erschöpft, fühlten, blieb der leise Schmerz des Abschieds.

 


Es gäbe über diese intensiven Tage so viel mehr zu erzählen: Wie z. B. über den

gar nicht so kleinen Klosterladen, in dem man in jeder Ecke neue Dinge finden

kann, von denen man bisher noch nicht wusste, dass sie einem fehlen. So kann

ein  kleiner Bericht nicht alle die

Gefühle und Empfindungen wiedergeben, die man bereit ist anzunehmen und zu

teilen. Wir haben uns untereinander und im Kleinen auch uns selbst besser

kennen gelernt. Zwar wurde uns gesagt, dass Gottes Anwesenheit nicht einfach

als reales Flüstern aus der klösterlichen Zellenecke ertönt. Konnte aber nicht jeder

von uns, verbunden im Heiligen Geist mit den Anderen, doch ein Flüstern fühlen?

Wie sagte Schwester Lucia im Hinblick auf die Heilige Schrift: Gott spricht zu

uns, zwar nicht laut, sondern leise, aber vernehmlich – wenn wir auf ihn hören

wollen.


Beim Verfassen dieses Textes ist mir ein kleiner Schreibfehler unterlaufen. Dieser

spiegelt jedoch einen Teil meiner Gefühle wieder: teilengenommen. Und ja, wenn ich in einem Wort meine

Erfahrung zusammenfassen sollte, so wäre es dieses. Wenn ich nun im Unklaren

bin, ob mich dieses Gefühl nur einen Tag, eine Woche oder sogar Monate

begleitet, so bin ich doch in einem klar: Diese Reise, das heißt dieses

Wochenende in der Benediktinerinnenabtei vom Heiligen Kreuz in Herstelle war

ein einzigartiges Erlebnis und wird meine weitere Lebensreise begleiten.

 

Lars Lange