Sonidos de la Tierra - Messe mit P. Klaus Väthröder SJ

P. Klaus Väthröder erzählt vom Leben im "Jesuitenstaat" in Lateinamerika im 17. Jahrhundert

Mit einer sommerlich Messe und einem anschließendem Konzert machten die "Klänge der Erde" in Göttingen Station. Die MusikerInnen aus Paraguay mit P. Klaus Väthröder SJ aus der Missionsprokur in Nürnberg feierten zunächst eine Messe und präsentierten in ihr und danach eine einmalige Mischung aus europäischen Barock und indigener Musikalität. F-a-n-t-a-s-t-i-s-c-h!

Pünktlich um 18:30 Uhr zur gewohnten Zeit begann die Montagsmesse in Sankt Michael. Aber vieles war heute anders. Etwa dass die Kirche an einem Montag prallgefüllt ist. Aber Blick- (und Ohrenfang!) Nummer 1 waren die MusikerInnen, die sich vorne links positioniert hatten.

Mit dem Schlag der Sakristeiglocke begann die Messe, die P. Hans-Martin Rieder zusammen mit Claus Recktenwald und Klaus Väthröder aus Nürnberg zelebrierten. Die Lesung trug Peter Krause vor.

Anstelle einer Predigt zum Tagesheiligen, den hl. Thomas, erzählte P. Väthröder von den Reduktionen der Jesuiten. 1608 wurde die erste, San Ignacio gegründet. Vor 250 Jahren wurden die Reduktionen, in denen bis zu 120 000 Indios gelebt hatten, aufgehoben. Die Entscheidung war der europäischen Machtpolitik und der Aufhabung des Jesuitenordens geschuldet.

Die Reduktionen (wörtl: Zusammenführungen) waren immer eine Provokation gewesen: auf der einen Seite frenetisch gefeiert, auf der anderen Seite verdammt.

P. Väthröder nannte drei Punkte:

Zum einen handelt es sich bei den Reduktionen um eine antikolonialistische Utopie. Natürlich waren auch die Jesuiten der (damaligen!) Missionsgedanken verhaftet, dass Nichtchristen verdammt würden. Deshalb galt es so viele Menschen so schnell wie möglich zu missionieren. Damit die Indios nicht nur en passant getauft würden, sondern der Glaube sich festigen konnte, gründeten sie die Reduktionen. Diese boten freilich auch einen Schutzraum vor Sklaverei. Die Reduktion San Miguel existeirt sogar heute noch.

Desweiteren waren die Reduktionen eine frühe Form von Ikulturation, denn die Jesuiten intergrierten - soweit mit dem christlichen glauben vereinbar - Elemente der dortigen Kultur und Theologie. Die Predigten wurden in der Lokalsprache gehalten, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Die bei den Indios schon vorher vorhandene Hochschätzung des Gemeineigentums wurde beibehalten. Es wurden gewaltige Anstrengungen in Sachen Architektur, Schnitzerei oder Musik geschffen, die man z.T. heute noch bestaunen kann.

Schließlich ist es den Jesuiten gelungen die Würde der Indios vergleichsweise früh zu proklamieren und zu wahren. Während in Europa noch diskutiert wurde, ob Indianer überhaupt eine Seele haben oder ob sie eher zu den Tieren zu rechnen seien, gaben die Musik und die Kunst beredetes Zeugnis von der Kreativität der Menschen - ein wenig konnte man an diesem Abend davon hören!

In den Reduktionen gab es keine Armut! Es gab Häuser für Witwen und Waisen. Auch für Kapitalverbrechen gab es keine Todesstrafe und die erste Buchdruckerpresse Lateinamerikas stand in einer Reduktion. Kein Wunder, dass viele den Jesuitenstaat zu den erfolgreichen "kommunistischen" Versuchen zählen. Und in der Tat war es ein "heiliges Experiment", von dem es leider vorwiegend nur noch Reste gibt. Die aber haben es in sich, so etwa die Musiker um Luis Sarán.