SPIRIT ANTIQUA Klangvisionen der Hildegard von Bingen

Interpretiert und zu Gehör gebracht von Ute Kreidler

Die Hl. Hildegard ist eine populäre Heilige. Sie gehört zu den Menschen der Kirche, die auch jenseits der Kirchen Verehrung genießen. Ute Kreidler brachte mit modernster Technik die mittelaterliche Hildegard kunstvoll zu Gehör. "Sie hat - das ist mein Eindruck - Hildegard nichts genommen oder überzeichnet, sondern entfaltet, was ihr gegeben war." So ein Zitat auf dem ausliegenden Informationsblatt von Heinz-Dieter Metzger, einem Hymnologen.

Mechthild José-Thumbeck hatte den Kontakt hergestellt und den Abend organisiert. Am Nachmittag wurden die Instrumente gestimmt und die Technik aufgebaut. Der Abend selber begann mit der Hl. Messe, heute natürlich zu Ehren der Hl. Hildegard von Bingen. Im Gottesdienst sang Ute Kreidler bereits zwei Stücke von Hildegard, eines davon a cappela, das andere mit ihrem Instrumentarium und ihren Klangkörpern. Sie gab so schon einen kleinen Vorgeschmack auf das nach dem Gottesdienst folgende Konzert.

Dies begann um 20:00 Uhr, wobei der Begriff Konzert etwas irreführend ist. Es handelt sich eher um Klangvisionen. Die Künstlerin eröffnete einen Klangraum. Aber es sollte nicht nur ein Ohren-, sondern auch ein Augenschmaus werden. Im Dunkel der Kirche drehte sich ein Mobile und warf Möwen - gleiche Lichter an die Wand so als würden Vögel durch die von Sylvio Krüger fantastisch geschmückte Kirche gleiten.

Ute Kreidler hat eine klare, helle, aber keinesfalls schrille Stimme. Mühelos scheinen die Töne aus ihrem Mund zu fließen. Mit der Hand zupft sie an einer kleinen Harfe. Aber auch die Füße haben in diesem One-Woman-Orchester ihre Aufgabe. Eines der wichtigsten Instrumente ist ein Live-Looper: mit diesem Gerät kann die Künstlerin Gesänge abspielen, die sie eben erst gesungen hat oder Töne, die sie vor Sekunden erst erzeugt hatte. So entsteht ein Klangteppich in vielen Klangfarben. Kreidlers Stimme begleitet Kreidlers Stimme, ihre Harfe stimmt ein in die eigenen Harfenklänge, usw. Faszinierend, was diese Mischung aus moderner Technik und menschlicher Sangeskunst zustande brachte. Sie selber nennt ihren Stil ancient move. Zu den von ihr benützen Instrumenten zählen: Gesang, Flöte, Harfe, Orgelpfeifen und Percussion. Diese Musik weitete das kleine Sankt Michael zu einer Kathedrale. Es ist aber eben diese modernste Akkustik- und Lichttechnik, die den Zuhörer in längst vergangene Jahrhunderte entführt.

Nach dem Konzert, Standing Ovations und einer Zugabe lud Mechthild José-Thumbeck die gut 80 gekommenen ZuhörerInnen in den Gemeindesaal ein, wo fleißige HelferInnen aus der Gemeinde einen besonderen Gaumenschmaus bereitet hatten: Es gab einen Riesling aus dem Klosterweingut der Benediktinerabtei St. Hildegard in Rüdesheim und ein Hildegard-von-Bingen-Brot, welches sich durch den Einsatz ursprünglicher Getreidesorten wie dem Einkorn, Emmer und Dinkel von den bekannten Brotsorten abhebt. Ein solches Butterbrot braucht keinen weiteren Belag. Bei diesem urigen Snack klang der Abend langsam aus.

Fazit: Ein sehr sinnlicher Abend. Ohren, Augen und Gaumen waren auf ihre Kosten gekommen. Ein Abend, der die Heilige der Moderne nahe brachte und die Moderne ins Mittelalter entführte. Mehr Informationen über spirit antiqua bzw. Ute Kreidler finden Sie hier.