Vom Biohof in die „ewige Stadt“

Göttinger Jesuit Benedikt Lautenbacher wird Rektor des Kollegs „Germanicum“

Pater Benedikt Lautenbacher SJ, der Superior der Göttinger Jesuitenkommunität, ist vom Generaloberen des Ordens, Adolfo Nicolás SJ, zum neuen Rektor des „Germanicum“ in Rom ernannt worden. Im August wird er die Nachfolge von Franz Meures SJ antreten, der seit 2005 die kirchliche Ausbildungs- und Begegnungsstätte des Jesuitenordens für Theologiestudenten aus Mittel- und Osteuropa geleitet hat.

Göttingen (kpg) – „Im Moment hänge ich ein bisschen zwischen den Welten“, schmunzelt Benedikt Lautenbacher. In drei Wochen schon wird er die Universitätsstadt verlassen, in der er seit 2005 gelebt hat – als Oberer der Göttinger Jesuiten und seit 2009 auch als Seelsorger der katholischen Hochschulgemeinde. Vor allem das studentische Flair der Stadt werde er vermissen – „und dass ich mit nur wenigen Schritten in der Natur bin. Das wird in Rom nicht so leicht“. Mehrmals in der Woche ist er zum Bismarckturm spaziert. Denn mit der Natur fühlt sich Lautenbacher, aufgewachsen auf dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie in Kochel am See, von je her eng verbunden. Ganz auf sein geliebtes Grün verzichten muss der 55-Jährige jedoch auch in Zukunft nicht: Zum „Pontificum Collegium Germanicum et Hungaricum“, so der offizielle Name seiner neuen Wirkungsstätte, gehört ein Landgut „mit 600 Olivenbäumen!“ Dort wartet ein zweimonatiger Italienisch-Intensivkurs auf ihn, den er mit Hilfe einer Sprachlehrerin in der römischen Jesuitenkommunität absolvieren wird.
„Dort spricht niemand Deutsch. Das ist meine erste große Hürde.“

Großer Vertrauensbeweis

Die Aufgaben, die dann von August an auf ihn warten, sind vielfältig: Lautenbacher wird das altehrwürdige „Germanicum“, das seit seiner Gründung 1552 in den Händen der Gesellschaft Jesu liegt, nach Innen und Außen vertreten. Er wird Superior der dortigen Jesuitenkommunität mit vier Mitbrüdern, im Haus leben und arbeiten auch drei kroatische Ordensschwestern, und er ist verantwortlich für die Priesteramtskandidaten. 80 Seminaristen aus insgesamt 43 Diözesen in Mittel- und Osteuropa besuchen das Kolleg, für den Platz werden sie vom Bischof oder Regens des jeweiligen Priesterseminars vorgeschlagen. Lautenbacher wird deshalb demnächst auch viel reisen, um den Kontakt zu den Verantwortlichen zu halten.

Als ihn im Spätherbst des vergangenen Jahres die Anfrage erreichte, hat er seine neue Wirkungsstätte besucht, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Im Zweifel hätte er auch ablehnen können, doch „natürlich greift da auch das Gehorsamsgelübde. Und letztlich zeigt sich darin für mich auch der Wille Gottes für meinen Lebensweg. Und dass der Provinzial mir diese Aufgabe zutraut, ist eine Ehre und ein großer Vertrauensbeweis.“ Vor zwei Wochen hat er sich den Seminaristen in Rom persönlich vorgestellt.

Für die neue Aufgabe sieht er sich gut gerüstet, rückblickend sei die Zeit in Göttingen eine optimale Vorbereitung für die neue Herausforderung gewesen, so Lautenbacher. Als Hochschulseelsorger war er in den vergangenen fünf Semestern nah dran an den Studierenden – „die Begleitung junger Menschen war mir immer wichtig“ – , die Sorgen und Nöte seiner Amtskollegen sind ihm als Beauftragter für die Männer- und Priesterseelsorge des Bistums Hildesheim vertraut: „Und die Seminaristen sind ja auch nichts anderes als junge Männer.“ Im Priesterrat der Diözese schließlich hat Lautenbacher die Ordensleute vertreten.

Leben im Hier und Jetzt

Dass ihn sein Lebensweg einmal in die „ewige Stadt“ führen würde, hätte Lautenbacher sich sicher nicht träumen lassen: Geboren wurde er 1955 in Benediktbeuren, aufgewachsen ist er auf dem elterlichen Bauernhof in Kochel am See in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Der Hof mit seinem 40 Hektar großen Wald und 40 Hektar Grünland ist seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der Familie. Als Lautenbacher 19 Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Bis sein jüngerer Bruder alt genug ist, den elterlichen Betrieb weiterzuführen, übernimmt er den Hof und stellt ihn auf biologische Bewirtschaftung um. Schon in dieser Zeit fühlt er sich zu einem geistlichen Beruf hingezogen. 1987 holt er das Abitur im Fernstudium nach, 1988 tritt er, angeregt durch eine Begegnung mit dem Zen-Lehrer und Jesuiten Hugo Lassalle, in den Jesuitenorden ein, studiert Philosophie und Theologie in München und Innsbruck. 1996 weiht ihn Kardinal Friedrich Wetter zum Priester. In den darauf folgenden Jahren ist Lautenbacher zunächst in Nürnberg, dann als Kirchenrektor in Aachen tätig. Hier gestaltet er die Jesuitenkirche zu einem Aktionsraum für Religion und Kunst um.

Neben diesem Interesse an Kunst ist vor allem die Zen-Meditation für Lautenbacher ein wichtiger Anker in seinem Leben. Auch in Göttingen leitet er eine Zen-Gruppe, bietet regelmäßig Einführungen in diese Form der Meditation, die ihren Ursprung im Buddhismus hat. Das abwechselnde Sitzen und Gehen in absoluter Stille ist für den Jesuiten nicht nur eine Übung des Loslassens, sondern Ausdruck seines Glaubens: „Im Hier und Jetzt sein, nicht in den Freuden von Gestern oder den Ängsten von Morgen, das hat starke Parallelen zu den christlichen Mystikern.“ Dass er eine Nachfolgerin für seine Zen-Gruppe in Göttingen gefunden hat, „das macht mich sehr glücklich“. Wer ihm nach Göttingen als Superior der Jesuitenkommunität folgen wird, das steht noch nicht fest.

Am 1. Mai wird Benedikt Lautenbacher in einer feierlichen Messe um 11.30 Uhr in St. Michael als Superior der Jesuiten verabschiedet. Um 19 Uhr am selben Tag verabschiedet ihn die katholische Hochschulgemeinde khg als ihren Geistlichen. Nach dem Sprachkurs geht es dann ins „Germanicum“, das nicht weit von der Villa Borghese mit seinen großzügigen Parkanlagen liegt. Den typisch deutschen Mischwald gibt es dort zwar nicht, dafür aber hat das Kolleg eine Dachterrasse im 9. Stock. „Und von da liegt Ihnen die ewige Stadt zu Füßen.“