"Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" (Lk 1,34) - Jungfrauengeburt Jesu: Nur bloße Theologie?

Plädoyer und Diskussion: Jungfrauengeburt: Theologische und / oder biologische Wahrheit?

Nach einem festlichen Gottesdienst am 25.3. – dem kirchlichen Hochfest Verkündigung des Herrn – waren alle Interessierten zu einem Plädoyer und einer anschließenden Diskussion zum Thema: „Jungfrauengeburt: Nur Theologische und / oder auch biologische Wahrheit?“ in den Gemeindesaal der Citykirche Sankt Michael eingeladen. 

Pater Hösl eröffnete den Abend mit einem Vortrag zum Thema. Er hob hervor, dass die Jungfrauengeburt heute nicht mehr so kontrovers diskutiert wird, als er es aus seiner Studienzeit kannte. Entweder, so Hösl, ist die Jungfrauengeburt selbstverständlich für die Glaubenden, oder sie ist irrelevant geworden.

Das Dogma der Jungfrauengeburt besagt, dass Gott der „Absender“ Jesu ist, sagte Manfred Hösl. Jesus stammt von Gott, das ist die theologische Wahrheit hinter dieser kirchlichen Lehre. Jesus Kommen in diese Welt, Gottes Menschwerdung in Christus verdankt sich einem „extra nos“ erklärte der Geistliche weiter. Er ist nicht von Menschen gemacht, sondern kommt von außen, von Gott her.

Dies ist unter katholischen, evangelischen und orthodoxen Theologen unstrittig. Die katholische Lehre geht freilich noch weiter, führte der Cityseelsorger aus. Denn Maria ist nach kirchlicher Lehre vor, während und nach der Geburt Jungfrau geblieben. Diese Lehre will Hösl in seinem Plädoyer aber nicht aufnehmen, sondern sich vielmehr dazu äußern, ob die theologische Wahrheit (Jesus stammt von Gott) eine historisch-biologische Wahrheit (Maria ist Jungfrau) benötigt.

Viele Theologen, sagte der Pfarrer, vertreten die Ansicht, dass die theologische Wahrheit ohne die historisch-biologische Wahrheit geglaubt werden kann. Als Beispiel führte der Referent die Äußerung einer Mutter gegenüber ihres Kindes an: „Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass du dir vor dem Essen die Hände waschen sollst.“ Was soll zum Ausdruck gebracht werden?, fragte Hösl. Etwa, dass die Mutter schon genau einhundert Mal ihrem Kind gegenüber diesen Satz geäußert hat und nicht 99 oder 101 mal? Würde es nachgezählt werden? Nein, hielt Manfred Hösl fest. Es geht nicht um die einhundert Mal, sondern darum, dass das Kind sich gefälligst beim nächsten Mal endlich vor dem Essen die Hände waschen soll. Wie oft die Mutter das Kind auffordert, ist dabei im Grunde irrelevant. So ist es auch - so die Meinung vieler - mit der historisch-biologischen Wahrheit. Sie ist, nach Meinung einiger Theologen irrelevant für die theologische Wahrheit.

Manfred Hösl schloss sich einer anderen Gruppe Theologen an. Nämlich der, die sagt, dass die historisch-biologische Wahrheit nicht weggelassen werden darf, will man auch die theologische Wahrheit nicht verlieren. Pfarrer Hösl vertrat mit seinem Statement die Absicht, dass die Jungfrauengeburt nicht von vornherein unmöglich ist.

Anhand von sieben Argumenten erläuterte er seine Absicht.

1. Die Zeugung eines Menschen ist eine intime Sache. Mit der Zeugung wird in der Regel nicht geprahlt, gab Pater Hösl SJ zu bedenken. Informationen über die Zeugung seien unwahrscheinlich. „Maria ist mit ihrer Engelbegegnung nicht hausieren gegangen“, bemerkte Hösl.

2. Wie haben wir überhaupt von der Jungfrauengeburt erfahren, wenn Maria nichts gesagt hat, fragte Manfred Hösl in den gut gefüllten Gemeindesaal. Entweder geht die Information auf verbale Inspiration (Gott diktiert den Evangelisten direkt was er als Evangelium zu schreiben hat) zurück. Diese Sicht auf die Bibel ist aber wenig und nur in radikalen Kreisen verbreitet. Oder Maria hat doch darüber geredet. Aber wann und warum? Die Antwort auf diese Fragen erläuterte Hösl in seinem 6. Argument. Zunächst machte er weiter mit...

3. Die Zumutung der Jungfrauengeburt. Nur die Evangelien von Matthäus und Lukas berichten von der Jungfrauengeburt, sagte Hösl. Das heißt, dass die Jesu Sohnschaft Gottes der meisten biblischen Zeugen nach offenbar keiner Jungfrauengeburt bedarf. Die Evangelisten Markus und Johannes und der Apostel Paulus schreiben darüber jedenfalls nichts, hielt Manfred Hösl fest. Warum taten es dann Mt und Lk?

In seinem 4. Argument erläuterte Pfarrer Hösl, warum die Evangelisten Matthäus und Lukas sich und uns das mit der Jungfrauengeburt "antun", wenn´s doch auch ohne gegangen wäre. „Sie tun es uns und sich an“, führte Hösl aus, „weil es schlicht so war.“ Wozu sollte etwas erfunden werden, wenn es doch nicht nötig gewesen wäre? Die Antwort kann nur sein: Weil es eben so war und weil es auch alle so wussten! Auch der Kreuzestod war schwierig zu vermitteln: Ein Gekreuzigter galt als von Gott verflucht (Deuteronomium 21,22). Und trotzdem wurde Jesus als Gekreuzigter verkündet. Ebenso war es mit dem leeren Grab und dem Zeugnis von den Frauen. Frauen waren damals nicht zeugnisfähig. Das war auch schwierig zu verkünden. Ebenso ist es mit der Jungfrauengeburt. Warum sollte eine Konstruktion erfunden werden, die nur Probleme birgt?, fragte Hösl. Er gab selbst die Antwort: „Weil es eine Jungfrauengeburt war.“

Das 5. Argument war, dass die Kirche bei der Wahrheit bleiben wollte. Entlarvte Lügen sind nicht gut für die Glaubwürdigkeit. Deshalb hatte das Christentum ein Interesse daran, bei der Wahrheit zu bleiben. Es war besser für die Kirche schwierige Fakten zu vertreten, als "alternative Fakten" in den Raum zu stellen, die früher oder später der Kirche und der Verkündigung geschadet hätten. Nun kam der Referent wieder auf seine Frage zurück.

6. Argument: „Was bewegte Maria doch zu reden?“ Hösl griff auf Kardinal Schönborn zurück. Dieser vertritt die Ansicht, dass Maria durch das Pfingstereignis, die Erfahrung des Heiligen Geistes zu reden begann. Maria könnte zu Petrus gesagt haben, dass dies nicht ihre erste Begegnung mit dem Heiligen Geist war, sondern das sie schon mal eine hatte, vor 33 Jahren. Erst jetzt haben ja die Apostel den Verstehenshorizont für das Geistwirken. Denn sie haben den Heiligen Geist an Pfingsten selbst erlebt, so Hösl.

Als letztes widmet sich Manfred Hösl dem Einwand, dass das relativ späte Aufkommen gegen die Historizität der Jungfrauengeburt sprechen könnte. In seinem 7. Argument sagte Hösl, dass aber gerade im Laufe der Zeit die legendarischen Überlieferungen ausgeschlossen wurden. Außerdem dominierte zunächst das Offensichtliche, nämlich die Auferstehung Jesu. Alles andere kam später. Einen Vergleich zog der Cityseelsorger zum Superwahljahr 2017. Am Wahlabend werden Bilder eines Siegers oder einer Siegerin gezeigt. Das ist das Offensichtliche. Erst später, in der heutigen Zeit nur eine kurze Zeit, aber immerhin später, werden Berichte über die Kindheit oder den Werdegang des Siegenden  bzw. "Wahlanalysen" veröffentlicht.

Zusammenfassend erläuterte Hösl, dass das, was zunächst gegen die Jungfrauengeburt spricht, im Grunde für sie spricht. Zwei Evangelien berichten von der Jungfrauengeburt, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Maria hat sich erst spät offenbart, vielleicht durch das Pfingstereignis. Durch die Auferstehung wurde Jesus als eindeutig von Gott legitimiert erfahren. Wie kommt aber das Göttlich in die Welt? ist die Frage, die sich erst in der Reflexion stellt. Für Pfarrer Hösl überwindet der Glaube an die Auferstehung letztlich die Hürde, an die Jungfrauengeburt zu glauben.

Abschließend kam es noch zu einer kurzen Diskussion. Vor allem wurde auf die Übersetzung Jungfrau oder junge Frau angespielt. Hösl meinte, da es sich um ein Zeichen handelt (Jesaja 7,14) muss es eine Jungfrau sein: „Was solle es für ein Zeichen sein, wenn eine junge Frau ein Kind bekomme?“Dies passiert alle Tage unzählige Male!

Ausgeklammert wurde die Frage,  ob es sich bei der Jungfrauengeburt nicht einfach um eine Übernahme fremder Mythen handle - spektakuläre Geburten werden auch anderen Größen der Geschichte nachgesagt. Aber gerade hier kann ein genauer Blick zeigen: Es sind gerade die Unterschiede zu den anderen Berichten, die die biblischen Berichte auszeichnen und es verbieten, die Texte von Mt und Lk unter Legendenbildungen zu subsummieren.

Marcus Grabisch