Zu Besuch in der Kreuzeskirche in Essen

Eine Gemeinde geht mit ihrer Kirche neue Wege

Was tun mit den vielen Kirchen, die nicht mehr mit Gläubigen gefüllt werden können? Die oft wenig verbliebenen Gottesdienstbesucher fühlen sich nicht selten wie die letzten Mohikaner! Meist gibt es nur zwei Alternativen à la Skylla und Charibdis: Entweder die Kirche mit hohen Kosten dennoch erhalten oder sie profanisieren. Aber muss das sein? Die evangelische Kreuzeskirche in Essen ist frisch renoviert, wartet mit fantastischen Bildern des New Yorker Pop Art Künstlers James Rizzi auf und versucht einen neuen Mittelweg…

Essen ist „der Pott“ in Reinkultur, aber es gibt nur noch eine Zeche, die in Betrieb ist – für Touristen! Vorbei sind die Zeiten, wo man überall den Ruß des Bergbaus abwischen konnte und mehrmals am Tag das Hemd wechseln musste. Vorbei sind aber auch die Zeiten mit vollen Kirchen. Viele wurden in der Krupp – Stadt während des Krieges zerstört und nur notdürftig restauriert, weil das Geld knapp war. Darunter auch die vom Architekten August Orth 1896 errichtete Kreuzeskirche im Zentrum Essens. Als jetzt eine neue umfassende Sanierung anstand ging man neue Wege…  

Die Kirchengemeinde wäre nicht in der Lage gewesen auch nur die notwendigsten Reparaturen ihrer Kirche finanziell zu stemmen. Was tun? In einer Ruine Gottesdienst feiern? Die Kirche verkaufen? Die Essener Protestanten entschieden sich für einen Mittelweg: sie gehört jetzt einem gleichberechtigten Kooperationsprojekt der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt, dem Forum Kreuzeskirche e.V. und dem Unperfekthauses.  

Der WIKIPEDIA-Artikel schreibt dazu: Nachdem der Kirchbau zwischenzeitlich einen erheblichen Sanierungsbedarf aufwies, der von der Gemeinde alleine nicht getragen werden konnte, wurde das Kirchengebäude 2013 zu einem symbolischen Preis an den Essener Bauunternehmer Rainer Alt veräußert. Dieser sanierte die Kirche und vermietete sie wiederum an die Evangelische Kirchengemeinde Essen-Altstadt, das Forum Kreuzeskirche e. V. und den Kreativunternehmer Reinhard Wiesemann (Unperfekthaus).  

Damit versucht man die Kirche gleichzeitig, an Sonn- und Festtagen als Sakralraum zu nutzen und an den anderen Tagen zu vermieten – und zwar auch für kommerzielle Veranstaltungen und Feiern. Auf der Homepage der des Unperfekthauses – also des Betreibers – wird ausdrücklich betont, dass auch nicht so fromme Firmen, ja auch Atheisten die Kirche für ihre Veranstaltungen mieten können:  Alles gern christlich, gern auf eine andere Religionen bezogen, gern auch atheistisch oder völlig unabhängig von Glaubensrichtungen, rein kommerziell, rein privat - wie SIE wollen! Die Kirche ist echt und aus tiefer Überzeugung gastlich, bleibt sich dabei treu und tut genau das, was schon seit Jahrzehnten gepredigt wird, nun ganz praktisch. Eine tolle Errungenschaft westlicher Kultur und ein riesiger Beitrag zu der wunderschönen Gesellschaft, in der wir hier leben.  

Das Forum Kreuzeskirche kann seit August 2016 mit einer ungewöhnlichen Besonderheit Aufwartung machen: Der New Yorker Künstler James Rizzi hat zwei große Fenster in der Kirche gestaltet, die allein schon einen Besuch in der Kreuzeskirche rechtfertigen. Die bunten Bilder des Pop-Art-Künstlers sind wohl bekannt und an vielen Orten dieser Welt an U-Bahnen oder im Rizzi-Haus in Braunschweig anzutreffen. Die einfachen Bilder strotzen nur so von urbaner Lebensfreude – das gilt auch für die beiden Rizzi-Fenster in der Kreuzeskirche. Aber auch das andere Interieur ist sehenswert, etwa Ambo und Altar. Allerdings ist alles mobil, denn für Veranstaltungen muss der Altarraum oft freigeräumt werden, damit die Band spielen kann oder das Buffet serviert werden kann. Es gibt viele Möglichkeiten den Raum in verschiedenes Licht zu tauchen und die größte evangelische Orgel der Stadt lädt ein zu Konzerten!  

Ob die Idee einer parallelen Kirchennutzung auch auf Göttingen übertragbar ist? In Sankt Michael wohl kaum. Aber es gibt auch bei uns Kirchen, die auf Dauer vom Bistum nur schwer gehalten werden können. Ehe man diese Kirchen ganz zumacht wäre „Essen“ zumindest nachdenkenswert. Vielleicht tun sich hier auch evangelische Christen leichter den Schritt zur anderweitigen Mitbenutzung ihrer Kirche zu gehen. So hat ja in der Johanniskirche schon einmal ein Empfang von Pro City stattgefunden. In den Innenstädten wohnen einfach zu wenige Menschen um die dort meist zu findenden Kirchen noch alleine mit religiösen Anlässen „zu bespielen“. Mit der Kreuzeskirche in Essen liegt nun ein Beispiel auf dem Tisch, an dem man sich zumindest reiben kann…